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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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freundliche Stimme irgendwo von oben, wo die wirklich Hartgesottenen schwitzten. Eine Stimme, nicht wirklich neugierig, sondern eher von dem Versuch bestimmt, Julia in das allgemeine Geplauder miteinzubeziehen.
    »Julia. Ich bin Julia Völcker...«
    »Sie arbeitet im Ladestein-Archiv!« unterbrach Renate, als wäre damit schon alles gesagt.
    »Dann wohnst du bei Anne?«
    »Ja, für ein Jahr. Ich werte den Nachlaß aus, das ist so eine Forschungsarbeit …«
    »Was gibt’s denn bei dem Ladestein zu forschen, dem alten
Schwerenöter!« Tiefes, kehliges Lachen drang aus dem Halbdunkel in einer Ecke. Julia blinzelte Schweißtropfen weg. Da oben kauerte eine mächtige Matrone, deren Stimme wie eine Glocke klang.
    »Der Ladestein, nee-nee-nee...«
    So alt war die Frau nicht, daß sie den Dichter noch persönlich hätte kennen können, aber nun war Julias Neugier geweckt: »Woher wissen Sie denn etwas über Ladestein?«
    Gelächter antwortete ihr.
    »Na hör mal, den kannte doch hier jedes Kind, na, was sag’ ich, vor allem jeder Gastwirt...«
    »Nu, Lisa, nun dröhn hier mal nich’ so rum.«
    Einer anderen Alten, gegenüber, ging die Lautstärke offenbar auf die Nerven. Die beiden maßen einander mit Blicken wie zwei Sumoringer. Beste Freundinnen waren sie offenbar nicht, Julia kamen sie vor wie archaische Anführerinnen rivalisierender Sippen oder wie große, kampferprobte Glucken, die bisher noch jeden Hahn auf dem Hof überlebt hatten. Auch Ladestein.
    »Gut, mal hübsch der Reihe nach!« Eine jüngere mit kurzem braunen Mäusehaar schaltete sich energisch ein. »Ist heute nicht Mittwoch?«
    Zustimmendes Murmeln.
    »Und hatten wir nicht ausgemacht, daß wir uns immer Geschichten erzählen? Aber immer nur eine pro Saunagang? Und daß immer nur eine redet?«
    Erneutes Murmeln.
    »Ja, du hast recht.«
    »Du mußt das verstehen«, sagte die Mausbraune erklärend zu Julia. »Früher haben wir uns oft gesehen, andauernd eigentlich, auf der Arbeit. Aber jetzt treffen wir uns nicht mehr alle Nase lang. Hat auch Vorteile. Aber wenn wir uns dann mal treffen, dann reden immer gleich alle durcheinander. Also haben wir das ein bißchen geregelt. Eine erzählt.
Und die anderen laden sie dann hinterher auf’n Likörchen ein.«
    »Manche müßte man eher einladen, damit sie nichts erzählt!« knurrte die eine Alte jetzt.
    Gelächter.
    »Also, Biggi, wer ist dran?«
    Die Angesprochene saß neben der Maushaarigen, eine junge, schmale, mit verträumten Augen.
    »Na, ich würde vorschlagen, wenn die Julia neu ist, erzählt sie eine Geschichte!« Sie nickte Julia aufmunternd zu. Julia erstarrte.
    »Es muß auch keine Geschichte sein, du kannst auch irgendwas Theoretisches von dir geben, wenn dir das leichter fällt«, versuchte ihr eine andere zu helfen.
    Julia faßte sich.
    »Nein, wißt ihr, vielen Dank, aber... aber ich glaube, daß das noch zu früh ist. Ich bin wirklich noch zu neu, ich kenne mich noch gar nicht aus. Ich würde viel lieber was von Ih … - von Euch hören!«
    Die Reaktion der anderen zeigte, daß sie so falsch nicht lag.
    »Vielleicht...«, sie wandte sich an die ältere Frau, »vielleicht erzählen Sie, was das war mit dem Ladestein?«
    »Jaja, das konntet ihr schon immer gut, ihr aus’m Westen: andere Leute ausfragen!« brummte die Rivalin und fing sich ein paar mißliebige Blicke ein.
    »Schon gut, schon gut. Du lieber Himmel, was soll man vom Ladestein erzählen? Das würde ganze Abende füllen!«
    »Lisa! Du hast zehn Minuten!«
    »Meine Großmutter hat ihn gekannt. Näher, glaube ich, als ihr lieb war. Im Nachhinein, meine ich, denn, du mußt das verstehen, diese Sommerfrischler, die hauten ja im August, spätestens September alle wieder ab, schlossen ihre Datschen hinter sich ab oder schüttelten ihren Vermieterinnen
die Hand, und das war’s bis zum nächsten Jahr. Aber die jungen Dinger, die sich so hatten anstecken lassen von der allgemeinen Freizügigkeit, die blieben ja da! Gut, das war hier nie so streng wie auf’m Festland, zum Beispiel gingen damals schon immer alle zusammen baden, keine getrennten Strände für Männer und Frauen und so’n Getue. Aber im Herbst, wenn so’n Seemann dann was Warmes suchte für sein Häuschen, dann überlegte der schon zweimal, ob der so’ne Vergnügte nahm oder nich’. Zogen ja auch sehr mutwillige Gedanken mit ein.«
    »Deine Großmutter, Lisa!«
    »Meine Großmutter hieß auch Lisa, so wie ich. Und die hatte halt einen Narren am Ladestein gefressen, dabei sah

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