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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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wollen, daß man keine tiefgreifenden Einschnitte in eine halbwegs intakte Landschaft riskieren dürfe, nur damit pubertierende Bengel vielleicht wieder gern an den Wochenenden aus den Festlandsinternaten auf die Insel kommen.
    »Wer will denn hier Amüsement? Leute, die hierherkommen, suchen vor allem Ruhe und Entspannung! Die wollen doch gar nicht das große Remmidemmi!«
    »Und, wie viele kommen hierher?«
    »Na, dette sin’ schon zwee-, dreehunderttausend… Is’ dette nischt?!« Ein Alter entrüstete sich.
    »Tagesgäste, meine Herrschaften, Tagesgäste!«
    Der zweite Mann, ebenfalls im karierten Sakko, das an den Ellenbogen mit Wildlederecken verziert war, mischte sich nun ein:
    »Es sind Tagesgäste. Das heißt, sie kommen, fressen ein paar Stücke Torte und hauen wieder ab.«
    Nun schaute Kathi, die Serviererin, mißbilligend: Auf der Insel »fraß« man keine Torten - und schon gar nicht in der feinen Scheune. Und außerdem hörte sie Geringschätzung heraus aus der Art, in der der Mann redete. Der hatte sich erhoben, so daß alle unwillkürlich auf seinen schicken, chromglänzenden Gürtel über dem mächtigen Bauch starren mußten.
    »Nicht wahr, Sie stimmen mir zu? Das Gros der Besucher machen die Tagesgäste aus. Und die geben nicht genug Geld aus. Wo sollen sie auch hin? In Ihrem sogenannten Supermarkt gibt es bloß verdorrte Grabgestecke - pardon! - und
ein paar Snacks, in der Kirche werden Sie mit warmen Worten und einer Broschüre abgespeist, die, nun ja, wie soll ich sagen...«, er klaubte ein mehrfach gefaltetes, bedrucktes Papier aus der Tasche, »...die, sagen wir, ein wenig dürftig ist. Kurz: Nichts hier entspricht vom Design her den Bedürfnissen des modernen, urbanen Menschen. Und den brauchen wir hier. Und er soll bleiben müssen. Also entwerfen wir ein Programm, das ihn quasi zum Übernachten zwingt, oder, sagen wir, es ihm reizvoll erscheinen läßt. Und damit er sofort vergißt, daß seine Zeit eigentlich knapp bemessen und sein Geld sauer verdient ist, muß er unterhalten werden. Pausenlos! Action ist angesagt! Und zwar durchgängig. Jetzt du, Pieter!«
    Er sagte tatsächlich »Pieter«, wie im Englischen, und der Angesprochene erhob sich und unterbreitete den zunehmend verblüfften Inselbewohnern sein Entertainment-Konzept.
    »Maritim«, »exciting« und »relaxed«, so lauteten die Zauberworte des dritten Karierten. Ihre Bedeutung konnten sich die meisten zusammenreimen. Es hatte auf jeden Fall etwas mit einem Unterwasseraquarium zu tun, in dem die wichtigsten Fische, Muscheln und andere Tiere, die im Ostseewasser vorkamen, zu sehen sein sollten.
    »Es müssen ja nicht nur die paar Heringe sein, die hier so herumpaddeln«, meinte der dritte Karierte, von der Figur her deutlich schlanker als seine Kollegen, »der Authentizität des Erlebens tut es keinen Abbruch, wenn wir uns von anderswo ein paar nette Meeresungeheuer ausleihen. Kein Aquarium kommt heutzutage ohne ein paar schicke Muränen und ein oder zwei Raubfische aus, Haie oder so...«
    »Mann, du, wenns heer schon man’nen Hai gegeben hat, dann war meine Großmutter die Windsbraut!«
    Der Dritte schaute leicht angeekelt zu dem Störenfried in einer der hinteren Reihen.

    »May be, may be, mein Freund, kann sein, kann sein. Aber darum geht es nicht. Es geht um übergeordnete Prinzipien. Eines davon: Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen uns fit machen für’s nächste Jahrtausend. Und dazu gehört auch die Erlebnisqualität. Sie hatten hier doch neulich so eine ganz schicke Leiche, eine richtige Wasserleiche. Auch so etwas kann man selbstverständlich miteinbeziehen. ›Die Ostsee, das nasse Seemannsgrab‹…«
    Für den »anspruchsvollen Gourmet« mußten, meinte der Dritte, exotische Restaurants her.
    »Butterscholle, ich bitte Sie!«
    Für die jungen Familien mit geringem Einkommen fixe, kunterbunte Imbißbuden.
    »Und an allem sind Sie natürlich beteiligt!«
    Sodann entwarfen die drei einen genauen Plan, wie die Gäste übergesetzt, abgeholt, von Ort zu Ort gebracht und rund um die Uhr unterhalten werden sollten. Den Leuten in der Scheune wurde ganz schwindlig, ihre Blicke verrieten das. Die drangvolle Enge, Bier und Schnaps heizten sie auf, zudem verlangten die drei Fremden eine Gedankenschnelligkeit, in der sie wenig geübt waren. Am Ende verkündeten die Karierten, sie legten eine Liste aus, in der sich jeder - völlig unverbindlich! - eintragen sollte, der möglicherweise Interesse an dem Projekt hätte. Und nun, gerade

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