Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
Vom Netzwerk:
Menge stimmte ein:
    »Prost!«
    Gläser wurden geleert. Jemand machte das Licht aus. Der Dicke legte Folien auf einen Overheadprojektor, der Zeichnungen auf eine Leinwand warf: Skizzen, Baupläne für das Brachland um Godshorn. Einer der drei Karierten wurde amtlich: »Was Sie hier sehen, meine Damen und Herren, das ist der Anfang. Der Anfang eines Anfangs, wenn Sie so wollen: Es ist nämlich ein Neuanfang für Sie!«

    Mit überraschender Behendigkeit war er von seinem Platz aufgesprungen und wirbelte nun auf die erste Reihe zu. Die Leute wichen ein wenig zurück und lächelten verlegen, aber es nützte nichts. Der Karierte legte einem Mann, der vor ihm am Tisch saß, die Hand auf die Schulter: »Machen wir uns doch nichts vor, Gau! Ich weiß ja, daß Ihr Betrieb schon lange nicht mehr läuft. Es gibt nicht genug zu tun für einen Landwirt, der ausschließlich Viehwirtschaft betreibt. Das liegt natürlich nicht an Ihnen, es liegt«, und hier erhob er seine Stimme, »es liegt an denen in Brüssel! Aber da«, nun breitete er predigergleich die Arme aus und ließ sie wieder sinken, »da sind auch wir machtlos. Mit anderen Worten: Wenn Sie auf die Landwirtschaft setzen oder irgendeinen Ihrer anderen angestammten Berufe, sind Sie verloren.« Er machte an dieser Stelle gekonnt eine Pause, um dann den letzten Satz zu wiederholen. »Sie sind verloren. Perdu. Aus, vorbei und Ende für alle, die die neue Zeit nicht begreifen wollen.«
    Nun schob er sich an der ersten Reihe entlang und schaute einem nach dem anderen prüfend ins Gesicht, als suchte er jemanden, der es noch nicht begriffen hätte. »Aber, meine Damen und Herren«, hier zwinkerte er vertraulich Gaus’ hübscher Frau zu, die neben ihrem mürrisch dreinblickenden Mann saß, »es gibt ja Hoffnung. Setzen Sie auf den ›Golapark‹. Setzen Sie auf uns. Wir bieten Ihnen Beteiligungen an einem vielversprechenden Projekt. Ich verhehle Ihnen nicht: Ein gewisses Risiko ist dabei, denn auch wir sind keine Zauberer. Aber für alle, die immerzu nur ihre kleinlichen Bedenken vor sich hertragen, ist doch auf dieser Insel ohnehin kein Platz! Hier war doch stets der Platz der Wagemutigen, Ihr seid doch«, er war inzwischen wieder bei dem ersten Mann angelangt, »Ihr seid doch Männer der See, also Männer der Tat!«
    Der Angesprochene zwinkerte nervös. Freilich war er
zwanzig Jahre zur See gefahren, aber nicht, weil er besonders mutig oder gar ein Draufgänger gewesen wäre. Das Meer gab einfach Arbeit. Das Meer spielte dieselbe Rolle, die anderenorts eine fette Wiese oder ein Ölfeld spielen würden. Und sie hatten keine Wahl gehabt. Niemand hatte sie gefragt. Sie waren hier aufgewachsen, und was getan werden mußte, wurde getan … Trotzdem schaute der Mann jetzt mit einem Blick zu dem Karierten auf, in den sich neben Unsicherheit auch etwas Hündisches mischte.
    Eine neue Folie wurde aufgelegt, ein imposanter, bunt gezeichneter Gebäudekomplex, ein Riesenrad im Hintergrund, blau schraffiertes Wasser im Vordergrund.
    »Das, meine Damen und Herren, ist Ihr Golapark, der ›Godshorner Landschaftspark‹, Ihre - verzeihen Sie mein Pathos - Ihre Zukunft. Schauen Sie sich das in aller Ruhe an.«
    Die Leute tuschelten. Der Gebäudekomplex sah hübsch aus, das Zentrum reetgedeckt, die Nebengebäude luftig und offen, mit viel Glas.
    »Freizeitpark, Schwimmbad mit Kurbereich, Sauna, Solarien, Whirlpools, Erlebnisgastronomie. Daneben der Experience-Park mit Achterbahnen, Riesenrad und Amüsierbetrieben - kein popeliger Rummel, meine Damen und Herren, nein - Adventure der Extraklasse!«
    Julia wußte, daß viele der Inselbewohner noch nie einen Rummelplatz besucht hatten, keinen »popeligen« und auch keinen anderen. Erika träumte davon, mit ihrem Sohn nach Paris zu reisen, nicht in die beängstigende, fremde Metropole, deren Sprache sie nicht beherrschte und deren Tempo sie gewiß überfordert hätte, sondern vielmehr ins Eurodisneyland, wo sich fürsorgliche Betreuer um die erlebnishungrigen Touristen kümmerten. Alles wäre dort organisiert, um nichts müßte man sich selber sorgen, höchstens darum, daß am Ende eines aufregenden Tages die Urlaubskasse
nicht schon für den ganzen Monat geplündert wäre … Und in der Tat hörte Julia, wie Erika, die in ihrer Nähe saß, leise zu ihrer Nachbarin sagte:
    »Das wäre was für Jens! Stell dir mal vor, wir hätten so ein Ding hier, dann käme er vielleicht wieder lieber nach Hause.«
    Julia hätte schreien mögen. Sie hätte sagen

Weitere Kostenlose Bücher