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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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Spannung im Raum stieg. Erika stieß hastig kleine Rauchkringel in die Luft, sie merkte gar nicht, wie sie der vor ihr sitzenden Frau den Qualm genau in den Nacken blies. Eine ältere Frau spielte nervös mit der Papierserviette, ein paar Männer nickten sich zu.
    »Gut, dann kann ich das vielleicht tun«, sagte Nothnagel in seiner säuerlichen Art, »im Prinzip besteht nämlich der Antrag der dritten Gruppe lediglich in einer Erweiterung des zweiten Antrags. Herr Doktor Minarek hat einen Zusatz angefügt, nämlich den Antrag auf die Ausweitung des Naturschutzgebietes auf die ganze Heide. Damit wäre selbstverständlich eine neue Straße überflüssig. Denn die Ausweitung des Naturschutzgebietes hätte, wie Sie alle wissen,
das sofortige und hundertprozentige Fahrverbot für diesen gesamten Raum zur Folge...«
    Weiter kam er nicht.
    »Nein!!«
    »Das kann doch wohl nich’ wahr sein!«
    Ein paar Leute waren aufgesprungen, Irritation machte sich breit. Einige Frauen versuchten, die Männer zu beruhigen.
    »Das kann doch nich’ wahr sein! Will der Kerl uns die letzte Schaffe wegnehmen?!«
    Erregt war ein Dachdecker von seinem Platz hochgefahren und schüttelte die Faust in Hannos Richtung, der scheinbar ganz ruhig dasaß. »Wenn ich nich’ mehr mit’m Auto zum Kunden fahr’n kann, kann ich’s gleich sein lassen. Dann bin ich nicht mehr konkurrenzfähig!«
    »Und der Krempel, der in Nebel über is’ - soll ich den vielleicht zu Fuß zu Erika tragen?«
    Der Geschäftsführer aus dem Supermarkt im Süden der Insel pflichtete seinem Kollegen bei.
    Eine schnarrende Stimme zerschnitt den Raum, leise und gefährlich:
    »Das ist ja wieder typisch Hanno Minarek!«
    Der Mann war aufgestanden, schob seinen Stuhl zur Seite und ging nicht etwa zu Hanno, sondern nach vorn zum Podium. Dann drehte er sich langsam zu den Leuten um, die ihn jetzt gespannt beobachteten, und sagte:
    »Ich will Ihnen ja nicht zu nahetreten, verehrter Kollege, aber es erstaunt mich doch, daß ausgerechnet ein Tierarzt für eine autofreie Insel plädiert! Das ist doch gar nicht so einfach, rechtzeitig zu Schafen, die das Fieber haben, und zu kalbenden Rindviechern zu kommen! Insofern müßten doch gerade Sie ein Interesse am Fortschritt haben und daran, daß die, die’s brauchen, auch Auto fahren können! Es sei denn«, der Mann atmete hörbar ein, »es sei denn, Sie
profitieren davon, wenn niemand ein Auto hat. Weil Sie nämlich, mein Bester, ein Fuhrunternehmen mit Pferden aufgebaut haben, daß Sie demnächst vergrößern möchten.«
    Es war ganz still geworden.
    »Wer ist der Mann?« flüsterte Julia.
    »Unser zweiter Tierarzt, Doktor Bohnen. Er lebt aber jetzt auf der großen Insel; für zwei hat sich das nicht mehr rentiert«, flüsterte Anne Bult hastig zurück.
    Hanno machte eine Bewegung, als ob er etwas sagen wollte, schwieg dann aber.
    »Und ist es nicht so, daß Sie mit dem anderen Fuhrunternehmer bereits abgemacht haben, daß Sie seine Kremser und seine Pferde übernehmen? Ist es nicht so? Ja? Streiten Sie es nicht ab! Ich habe mit dem Mann gesprochen! Wir kennen Sie, Hanno Minarek, lange schon, aber jetzt ist Ihre Zeit hier langsam vorbei! Weil Sie nämlich einer sind, der den Hals nicht vollkriegt, jawoll, und so was mögen wir hier nicht!«
    Applaus bekam der Mann, viel zustimmenden Applaus. Einige riefen wohl: »Hört, hört, der Klugscheißer!«, aber die meisten, das war offensichtlich, stimmten ihm zu.
    »Ich denke, der lebt gar nicht mehr hier?« flüsterte Julia.
    »Scht!« machte Anne, die nichts verpassen wollte.
    Nothnagel war aufgestanden und versuchte, sich in der allgemeinen Erregung Gehör zu verschaffen.
    »Herr Doktor Minarek, da Sie der Angegriffene sind, sollten Sie als nächster die Gelegenheit haben zu sprechen. Sicher möchten Sie zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Bitte sehr!«
    Mit zufriedenem Gesicht nahm Nothnagel wieder Platz. Gar nicht schlecht, wie er die Versammlung leitete, sagte seine Miene, er hatte sich nichts vorzuwerfen. Und ohne ihn, den gelernten Verwaltungsfachmann, stünden sie vor den Fremden auch als ziemliche Provinzköpfe da. Nein,
kein Zweifel, er machte das Beste aus der verfahrenen Situation...
    »Bitte, Herr Doktor Minarek!«
    Er wiederholte seine Redeaufforderung, und allmählich ebbte der Tumult ab. Hanno Minarek war aufgestanden. Alle drehten sich zu ihm um. Eine Wand aus dunkler Kleidung und hell leuchtenden, aggressiven Gesichtern. Gespannte, aggressive Augenpaare, Striche, wo vorher

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