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Ostseeliebe

Ostseeliebe

Titel: Ostseeliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Jaskulla
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… Brrr, ob das hier Ostseewasser war? Eine Schlägerei im besten Lokal am Ort! Und das, während sie und Hanno... Und was war mit Hilda los? Warum war eine Frau, die so elegant und souverän wirkte wie sie, derart leicht zu täuschen? Begriff sie nicht, was das für Leute waren? Oder glaubte sie jedem noch so durchsichtigen Versprechen, einfach weil sie etwas glauben, etwas hoffen mußte? Wie groß war Hilda Minareks Verzweiflung? Julia sorgte sich. Aber sie sagte es nicht.
    Die Frauen kramten ihre Sachen zusammen, pflegten Füße, cremten Gesichter, zogen sich gemächlich an, weckten Lisa. Heute kein Besuch in der Gaststube! Anorakreißverschlüsse surrten, Kordeln wurden festgezurrt, Hosenbeine in Stiefel gestopft, widerspenstige Fahrradschlösser
überwunden. Schweigend fuhren sie auf ihren Rädern heim, jede ein wenig seitlich versetzt zur vor ihr Fahrenden, um sich gegenseitig Licht zu spenden. Jede in ihre Gedanken vertieft. Schön, wie sich Frauen in Ruhe lassen können, dachte Julia, und: Der Winter wird hart werden.

    Auch Jeanette sollte noch erfahren, wie schwierig es im Winter auf der Insel auszuhalten war, denn sie kam tatsächlich. Nicht direkt aus Berlin, wie sie es sich eigentlich vorgenommen hatte, aber immerhin, sie kam. Noch vor Weihnachten. Und weil sie aus Bielefeld anreiste, legte sie in etwa den gleichen beschwerlichen Weg zurück wie Julia ein paar Monate zuvor, nur hatte sie, die sich nie auf andere - »und schon gar nicht auf marode Staatsunternehmen!« - verlassen mochte, nicht den Zug gewählt, sondern war die etlichen hundert Kilometer bis zur Küste mit dem Wagen gefahren. Im Winter.
    »Da lernst du Alleen hassen«, sagte sie trocken.
    Aber sie war da. Sie war mit einer der Fähren gekommen, ganz allein, mit einem Berg von Gepäck, den sie in Stralsund übellaunig aus dem Kofferraum des Leihwagens gezerrt hatte, denn natürlich war der Angestellte des Unternehmens nicht, wie bestellt, am Hafen erschienen.
    »Die müssen noch viel nachholen!« knurrte sie.
    Aber sie hatte Glück gehabt bei der Überfahrt. Es war einer dieser trügerisch milden Dezembervormittage gewesen, an denen milchiges Licht wie ein Schleier über dem Meer schwebt und sich sogar die aufdringlichen Möwen in sanften Gleitflügen üben. Ein zauberischer Dämmer hatte über dem Meer gelegen, und aus der Unschärfe der See war allmählich die Insel gewachsen, die Jeanette prompt vorgekommen war wie eine verwunschene Feen-Burg - so hatte sie es jedenfalls im nachhinein erzählt und mit der ihr eigenen Ironie hinzugefügt: Eine reichlich ramponierte Burg allerdings!
Weil Julia mit Jeanettes Eintreffen nicht gerechnet hatte, wurde diese auch nicht abgeholt. Tatkräftig, wie Jeanette war, sprach sie einen der am Kai herumstehenden Arbeiter an, lieh sich für ein paar Groschen einen Handkarren und lud ihr Gepäck auf. Und so kam es, daß Jeanette ganz allein den Weg durch Stiftsdorf erkundete.
    Julia hatte Jeanette erst beim Nachhausekommen angetroffen, in Anne Bults Küche, wo die beiden Frauen sich schon angeregt unterhielten. Jeanettes teurer Trenchcoat hing achtlos über dem Stuhl, sie hatte sich gleich zu Anne gesetzt, als hätte sie nie etwas anderes getan. Tee dampfte, ein Honigkuchen stand auf dem Tisch. Julia staunte. So gelöst hatte sie Anne lange nicht lachen hören. Großstadtpflanzen!
    »Ich hab’ schon öfter pausieren müssen«, so nahm Jeanette nach der stürmischen Begrüßung den Faden wieder auf, »schließlich wollte ich ja auch wissen, wo ich hier gelandet bin. Sag mal, werden hier alle so schlank? Meine Güte, Julia, hast du abgenommen! Steht dir ganz ausgezeichnet...« Sie schwatzte sogleich weiter.
    Auch Jeanette hatte als erstes die Schifferhunde wahrgenommen, nicht allerdings, wie seinerzeit Julia, ihre zur Schau getragene Geschäftigkeit, sondern ihr ungepflegtes Fell, daß sie kein Halsband, geschweige denn eine Marke trugen, die jeden Hund als ordentlich geführte Steuersache eines ordentlichen Besitzers ausgewiesen hätte.
    »Was der Gemeinde da an Einnahmen verlorengeht! Bestimmt zweihundert Mark pro Jahr und Hund! Ja, lacht ihr nur! Kommunen sind arm, da muß man auf jede Mark achten! Und der zweite Hund kostet immer mehr als das Doppelte!«
    Dann hatte sie die Lehmwege gesehen und die ersten Häuser passiert, Wegeners und Lieferts schmucke, reetgedeckte Häuser, die bei dem verhaltenen Winterlicht allerdings
noch niedriger und noch geduckter wirkten. Licht schien kaum in das Innere dieser

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