Ostseeliebe
ganzen Quatsch? Und mal ehrlich: Wann brauchen wir denn auf der Insel wirklich Sonnenliegen?«
Die Frauen lachten.
»Na aber, als ich gesagt habe, da könnte man doch glatt noch’n Nagelstudio hinsetzen, haben die das gleich in ihre Liste aufgenommen. Ist doch was!« Erika wollte sich das letzte Fünkchen Hoffnung nicht nehmen lassen. »Mein Gott, wär’ das schön, Nagelstudio statt immerfort Wurstplatte und Scheibletten-Käse!«
»Und?« fragte Julia. »Wie ging es dann weiter? Ich denke,
die ganze Sache ist den drei Karierten noch irgendwie au ßer Kontrolle geraten?«
»...den drei Karierten ist gut!« freute sich Lisa. »Großkariert, ganz groß und fett kariert!« Sie kratzte sich den Rücken, erst die linke Hand, dann die rechte Hand, erst von unten bis zum Schulterblatt, dann, mit einem Ächzen, von oben - erst die rechte Hand, dann die linke Hand. Was Lisa machte, machte sie gründlich.
Bei der Versammlung jedenfalls hatte irgendwann wieder der Ortsvorsteher eingegriffen. Nothnagel wollte sich nicht gänzlich überflüssig vorkommen. Er hatte darauf hingewiesen, daß bei solchen Vorhaben wie dem Golapark umfangreiche Baugenehmigungen einzuholen seien und, sollten diese tatsächlich erteilt werden, es natürlich eine ordentliche Ausschreibung geben müßte. Die drei Karierten hatten genickt, leicht irritiert. Einer aus dem Gemeinderat rechnete vor, wie viele Arbeitsplätze wohl entstehen könnten, und die drei gaben sich noch optimistischer in ihren Einschätzungen. Jede Menge qualifiziertes Personal werde es brauchen: Verkäufer und Kellner, Zimmermädchen, Rezeptionisten, ja sogar - hier lachten die drei - ganz neue Berufe würden sich entwickeln: Animateure, ja sogar Tanzlehrer! Nicht zu vergessen Fachkräfte für das eben geforderte Nagelstudio: Maniküre, Pediküre, das ganze Programm!
Und dann war alles plötzlich ganz schnell gegangen:
»Irgendeiner von ganz hinten wollte wissen, was aus’nem ehrlichen Arbeiter wie ihm werden sollte«, erinnerte sich Biggi. »Ich glaube, so ging’s los.«
»Genau. Und dann hat einer der drei Karierten«, Lisa zwinkerte Julia zu, »einer von den dreien hat blöderweise mit dem alten Geschwafel angefangen, von wegen daß die neuen Zeiten Personal vor allem im Dienstleistungssektor erforderten.«
Das war wieder Renates Einsatz. Als hätten sich die
Frauen abgesprochen, sprang sie erneut auf, obwohl sie schon mächtig schwitzte, und entwand der sich wehrenden Biggi ein zweites Mal die Bürste: »Die Ära derrr industrrriellen Warenprrroduktion, Herrrschaften, ist vorrrbei.« Sie piepste jetzt mit einer feinen, hohen Stimme weiter: »Dienstleistung ist angesagt! Es hat nun mal jeder schon mindestens zwei Fernseher,’ne Waschmaschine und’n Kühlschrank. Wir leben im Zeitalter von ›Information and Service‹. Der Kerl hat das wirklich so gesagt!«
Lisa lachte dröhnend: »Und das hier, weißt du, wo ich doch froh wäre, wenn meine eine Waschmaschine funktionieren würde! Und ein Zweitfernseher, ha ein Zweitfernseher, wer hat denn so was?«
»Ich«, sagte die Mausbraune, um aber sogleich hinzuzufügen: »Aber der ist noch lange nicht bezahlt!«
»Eben.«
»Wir sind hier doch noch in der Baumarktphase«, sagte die Mausbraune bitter zu Julia und raffte ihr Handtuch umständlich zusammen. »Die Leute hier sind noch immer damit beschäftigt aufzuholen, an den Samstagen sind die wenigen Baumärkte auf der Nachbarinsel überfüllt, weil wir es genießen, endlich eine Wahl zu haben. Wir fahren nicht in einen Vergnügungspark - wir fahren zum Baumarkt, und die Männer gucken fasziniert auf bunte Werkzeugkisten und vierzig verschiedene Spülbecken für Toiletten. - Ich geh mich mal abkühlen!« Sie polterte die Bänke hinab, verschwand, ihre Freundin wie immer im Schlepptau.
»Und?« Julia wurde langsam ungeduldig.
Dann war Johannsen, der Pferdezüchter, energisch geworden. Hatte etwas von »modernem Gequassel« geschimpft, daß man sich nichts davon kaufen könnte. Und hatte die drei Karierten herausgefordert - auf Hochdeutsch, was eindeutig für eine große innere Anspannung Johannsens sprach. Er hatte auf Malte gewiesen …
»...so, ganz direkt«, erzählte Renate, »und dann ist er nach vorn gegangen und hat gesagt: ›Was sollte denn zum Beispiel dieser junge Mann da bei Ihnen machen?‹ Und, auf die fragenden Blicke der drei, hat er weitergeredet: ›Malte ist Kellner, aber das nur aus Not, nicht aus Neigung. Alles Drumrumreden hilft ja nichts...‹ Das
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