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Ostwind (German Edition)

Ostwind (German Edition)

Titel: Ostwind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Wimmer
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sie.
    Da fuhr ein weiteres Auto auf den Hof. Es war ein unheimlicher schwarzer Pferdetransporter. Er gehörte dem Ungarn. Als Sam den Transporter sah, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen: »Und jemand anders ist umsonst gekommen, furchte ich«, rief er befriedigt.
    Dabei achtete er nicht mehr auf Michelle. Ansonsten hätte er gesehen, wie sie Mika und Maria Kaltenbach fassungslos nachstarrte. Als sie sich wieder umdrehte, wischte sie sich ihre Tränen aus den Augen. Es waren Tränen der Wut. Michelles Blick fiel auf Tinka, die fröhlich an ihr vorbeigeradelt kam. Der riesige Putzkasten im Korb hinter ihr brachte sie bedrohlich zum Schwanken. Tinkas gute Laune verursachte bei Michelle einen kaum zu bändigenden Zorn. Doch dann erhellte ein verbissenes Lacheln plötzlich ihr gerotetes Gesicht.
    »Tinka? Willst du mit mir den Parcours abgehen?«, rief sie.
    Tinka sperrte gerade ihr Fahrrad ab. »Ich?«, fragte sie ungläubig. »Echt jetzt?«
    »Ich brauch ein paar Tipps«, sagte Michelle besonders nett.
    Tinka war sprachlos. Sie hob den schweren Putzkasten vom Rad. Michelle sprang ihr bei, um zu helfen. »Ach und ubrigens: ich glaube, du hattest recht wegen Weingrafs Bein. Hast du noch was von dieser Salbe?«, fragte Michelle betont beiläufig.
    Tinka fasste sich wieder. »Ja, klar! Warte, ich geb sie dir gleich«, rief sie und öffnete eilfertig ihren Koffer.
    »Nur nicht zu viel, sonst …«, sagte Tinka und reichte Michelle die Tube.
    »Ja, ja, ich weiß«, erwiderte Michelle schnell und steckte sie ein. Dann legte sie freundschaftlich einen Arm um Tinka.
    »Und jetzt komm. Du kannst mir nachher auch satteln helfen«, sagte sie. Tinka konnte ihr Glück nicht fassen. Michelle wollte Tipps! Sie wollte Rat und Hilfe! Von ihr! Tinka strahlte, als ware Weihnachten und sie der Baum.
    Als Mika zu Ostwind in die Box trat, sah der Hengst sie fragend an. Er wieherte leise – fast hätte man meinen können, er lachte.
    »Ich weiß, ich seh komisch aus …«, sagte Mika verlegen.
    Sie nahm einen edlen schwarzen Ledersattel mit einer weißen Satteldecke, der uber der Klapptur der Box lag, und hob ihn sachte auf Ostwinds Rucken. »Du aber auch«, kicherte sie.
    Sie zog den Gurt fest und trat einen Schritt zuruck. Kopfschüttelnd betrachtete sie ihr Werk. Dann lehnte sie sich an Ostwind und schloss erschopft die Augen.
    »Oh Mann. Was machen wir hier eigentlich?«, seufzte sie.
    »Das weiß ich auch nicht«, hörte sie plötzlich Michelle hinter sich. Ihre Stimme klang kalt. Mika offnete erschrocken die Augen. Aber Michelle lächelte freundlich. In der Hand hielt sie Fesselbandagen.
    »Ich wollte euch nicht lange storen, aber die hier braucht er, damit er sich beim Springen nicht verletzt«, erklärte sie hilfsbereit. Ostwind schnaubte.
    Mika griff baff nach den Bandagen. So viel Freundlichkeit hatte sie von Michelle gar nicht erwartet!
    »Danke! Das wusste ich nicht«, sagte sie.
    Michelle winkte kameradschaftlich ab. »Hey, macht ja nichts. Hab ich gern gemacht. Und weißt du, am Ende wollen wir ja beide nur das Beste fur Kaltenbach.«
    »Ich bin echt froh, dass du das so siehst«, sagte Mika erleichtert und sah zu Ostwind, der nervös auf der Stelle tänzelte.
    Michelle lachte frohlich und reichte Mika die Hand.
    »Na dann: Hals- und Beinbruch. Und vergiss die Gamaschen nicht«, verabschiedete sie sich.
    Mika sah Michelle uberrascht nach, dann buckte sie sich, um Ostwind die Fesselschoner anzulegen.
    »Dann wollen wir mal.«

15. Kapitel
    In der Reithalle war der Wettbewerb bereits in vollem Gange. Das zahlreiche Publikum füllte die Tribüne bis auf den letzten Platz. Unten mühte sich ein rotkopfiger Reiter durch den Parcours. Mit größter Not und ohne jede Eleganz nahm er das letzte Hindernis. Vereinzelt erscholl Applaus.
    »Das war Felix Rugen fur den Hollerbecker Hof auf Cornflakes. Insgesamt hat er acht Strafpunkte mit einer Zeit von 97,32« , verkündete eine Stimme über Lautsprecher.
    Der Reiter verließ den Parcours und grußte in die Richtung der Jurybox, wo Landestrainer Friedrich Fink und sein Team sich aufmerksam Notizen machten. Maria Kaltenbach saß direkt neben ihm und ließ ihren Blick über die Tribüne schweifen. Da entdeckte sie ganz hinten, weit von den anderen entfernt, ein Gesicht, das sie seit Jahren nicht gesehen hatte. Es war Sams Großvater, Herr Kaan, der nun seinerseits Maria Kaltenbach ansah. Fur einen langen Moment sahen sie sich direkt in die Augen. Dann erschien ein kleines Lacheln auf

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