Ostwind (German Edition)
was ist das fur ein Pferd? Und uberhaupt: Pferd?«, plapperte Fanny schließlich drauflos.
Mika brannte darauf, Fanny sofort alle Einzelheiten der letzten Wochen zu berichten. Doch genauso dringlich war ihr Bedürfnis nach einer Mahlzeit. Deshalb führte Fanny sie und Ostwind direkt ins Camp, wo sie sofort von kleineren Campkindern umringt wurden. Mit Heißhunger stürzte sich Mika sogleich auf einen Schokopudding, den ihr Fanny reichte. Während sie futterte, erzählte sie alles, was geschehen war, vom Anfang bis zum Ende. Ostwind stand die ganze Zeit über friedlich einige Meter entfernt unter einer Kiefer.
»… und dann bin ich eben abgehauen«, erklärte Mika abschließend.
Fanny und die zuhorenden Kinder hatten Mikas Bericht mit offenen Mündern verfolgt.
»Und die wollten wirklich Salami aus ihm machen?«, fragte Fanny ungläubig.
Mika nickte müde. »Ungarische Salami«
»Und jetzt? Was machen wir jetzt?«, wollte Fanny wissen.
Mika streckte sich neben dem Feuer aus. »Das entscheiden … wir … morgen.« Sie schloss die Augen. »Ich muss nur Ostwind noch futtern … bevor ich … einschl…« Und schon im nächsten Moment war Mika fest eingeschlafen. Aber das war okay. Sie musste sich keine Sorgen mehr machen. Alles war gut.
Fanny nahm ein Strandtuch und deckte Mika zu. »Das machen wir schon«, versicherte sie. Dann wandte sie sich an die Kinder und rief: »Ihr habt’s gehort. Das Pferd hat Hunger. Alle Vorrate an Deck!«
Sofort wuselten alle los, um ihre Leckereien herbeizuschaffen. Dann reihten sie sich in einer Warteschlange vor Ostwind auf. Ein kleiner Junge trat vor und reichte Ostwind ehrfurchtig eine Butterbrezel. Ostwind kaute genusslich.
»Nachster!«, kommandierte Fanny.
Ostwind bekam von einem Mädchen kreischgrune saure Apfelringe hingehalten. Er machte einen Schritt auf sie zu. Das Madchen erschrak und ließ die Tute fallen. Ostwind futterte die Sußigkeit vom Boden auf.
»Nachster!«, rief Fanny.
18. Kapitel
Mika schlief tief, aber unruhig. Kaum war die Sonne aufgegangen, schreckte sie hoch. Das Erste, was sie sah, war Fannys besorgtes Gesicht.
»Morgen«, sagte Fanny.
Mika setzte sich schnell auf. Sie sah um sich. In ihrem Kopf war nur eine Frage: »Ostwind?«
Fanny deutete auf eines der Großzelte, das sich verdachtig ausbeulte. Mika atmete erleichtert auf.
»Wir mussten ihn verstecken. Ein paar Betreuer sind misstrauisch geworden«, erklärte Fanny.
»Ich dachte schon … ich hab getraumt … ich dachte, es war was mit ihm«, sagte Mika.
»Naja. Wo du es sagst …«, entgegnete Fanny kleinlaut. »Ich weiß ja nichts uber Pferde, aber ist das normal, dass die so dick in der Mitte werden und grunen Schaum spucken?«
»Was?« Mika war sofort auf den Beinen und rannte in das große Zelt, in dessen Mitte Ostwind stand. Ein kleines Mädchen war bei ihm und streichelte ihn hilflos. Schaum tropfte aus seinem Maul. Mika sturzte zu ihrem Pferd. Ostwind sah sie aus truben Augen an. Das kleine Madchen wich zuruck.
»Was hast du? Was ist denn?«, fragte Mika Ostwind.
Der Hengst schnaubte schmerzerfullt. Sein Bauch war kugelrund und gluckerte vernehmlich. Mika stiegen die Tranen in die Augen.
»Was mach ich denn jetzt? Was mach ich denn jetzt?«, murmelte sie entsetzt vor sich hin. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und scrollte mit zitternden Fingern durch die Liste. Es gab nur einen Menschen, den Mika jetzt anrufen konnte. Aber es meldete sich nur der Anrufbeantworter: »Hi, hier ist Sam. Ich bin ziemlich sicher gerade im Stall. Also, hinterlasst mir einfach ’ne Nachricht.«
Die Ansage war kaum zu Ende, als Ostwind sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er knickte ein. Mika ließ ihr Handy fallen und versuchte erfolglos, das zentnerschwere Pferd mit ihrer Kraft auf den Beinen zu halten. Dann sank sie mit ihm zu Boden. Tranen liefen uber ihr Gesicht.
»Nicht aufgeben. Bitte gib nicht auf!!«, flehte sie.
Fanny stand hilflos daneben. Sie hatte sich noch niemals so furchtbar gefühlt. Vorsichtig hob sie Mikas Handy auf.
Das Telefon im Kaminzimmer klingelte. Maria und Elisabeth fuhren fast gleichzeitig hoch. Mikas Großmutter nahm ab.
»Kaltenbach?«, meldete sie sich schnell. Doch dann schlich sich Enttauschung auf ihr Gesicht.
»Nein. Sie ist noch nicht aufgetaucht. Naturlich. Danke«, sagte sie und legte auf. Sie sah ihre Tochter an und schüttelte traurig den Kopf. Elisabeth sackte sichtlich zusammen. Da klingelte ihr eigenes Handy. Doch sie war mit ihren Gedanken
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