Ostwind (German Edition)
aufgewacht«, erklärte er.
Elisabeth sprang auf. Es tat ihr mit einem Mal leid, dass sie nur von Mika gesprochen hatte. »Gott sei Dank«, rief sie erleichtert.
»Harter Schadel. Kommt nach mir«, sagte Herr Kaan. Beide tauschten einen langen, warmen Blick. Dann ging Herr Kaan. Elisabeth blieb nachdenklich zuruck.
Währenddessen stand Maria Kaltenbach unbewegt auf der Treppe des Gutshauses. Kein Vogel zwitscherte weit und breit. Wenige Meter vor ihr stand der schwarze Anhanger. In der Morgensonne glänzte er wie ein boses Insekt. Sie hatte einen Schlussstrich ziehen müssen. Und hiermit war es geschehen. Mit einem metallischen Surren schloss sich langsam die Ladeflache. Dann fiel sie krachend ins Schloss.
Im selben Moment zuckte Mika in ihrem Krankenbett zusammen. Sie öffnete die Augen. Verschwommen und unscharf sah sie die weiße Decke ihres Krankenzimmers. Sie blinzelte. Das Bild wurde scharfer. Ein Gesicht kam in ihr Blickfeld. Ihre Mutter lachelte auf sie herab.
»Hallo, Schatz.«
Mika blinzelte noch einmal und sah sich in dem merkwurdigen Raum um, in dem sie sich befand. Sie sah jetzt auch ihren Vater, der zu ihrer Mutter trat.
»Guten Morgen, Mauschen«, sagte er liebevoll.
Mika setzte sich auf. Jedoch zu schnell, ihr wurde wieder schwindelig.
»Was ist mit Ostwind?«, fragte sie schwach.
Ihre Mutter legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Alles in Ordnung. Alles gut«, sagte sie beschwichtigend.
Mika sank zuruck ins Kissen.
»Hier ist übrigens noch jemand, der dir Hallo sagen will«, erklärte Mikas Mutter und trat zur Seite. Hinter ihr tauchte eine Gestalt mit einem weißen Kopfverband auf. Da erhellte ein Lacheln Mikas Gesicht.
»Hallo. Ich hab gehort, mit dir kann man Pferde stehlen …«, sagte Sam und grinste.
Mika war unendlich erleichtert. »Sam!«, rief sie.
Einsam ging Maria Kaltenbach den langen Flur des Gutshauses hinunter. Vor dem Trophaenschrank blieb sie stehen. Sie hatte in ihrem Leben so viel gewonnen – am Ende aber alles verloren. Erst ihre Tochter, dann ihre Fähigkeit, zu reiten. Und nun auch ihre Enkeltochter. Sie wollte gerade die Stiefel wieder in die Vitrine stellen, als Michelle hinter sie trat.
»Frau Kaltenbach?«
Maria drehte sich um.
»Ich wollte ihnen nur sagen, dass es mir sehr leidtut. Mit ihrer Enkelin und dass …«, sagte Michelle und gab sich alle Mühe, mitfühlend zu klingen.
Maria winkte ab. »Schon gut, Michelle. Danke. Ich hatte es wissen mussen«, sagte sie. Sie sah auf die Stiefel in ihrer Hand. Kurz entschlossen gab sie sie Michelle. Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Hier. Die gehoren dir.«
Auf Michelles Gesicht breitete sich ein Strahlen aus. »Wirklich? Danke!«
Aber Maria Kaltenbach war mit ihren Gedanken schon wieder woanders. Sie nickte abwesend.
»Und … Frau Kaltenbach?«
»Ja?«
Michelle platzte fast vor Stolz. »Der Landestrainer hat angerufen.« Sie machte eine dramatische Pause, bevor sie fortfuhr: »Ich bin im Kader!«
Maria lachelte. Aber ihre Augen waren ohne wirkliche Freude.
Sam saß auf Mikas Bettkante. Mika beruhrte seinen Kopfverband.
»Das ist alles meine Schuld«, entschuldigte sie sich.
»Ach was. War doch kein Wunder«, sagte Sam tröstend. »So viel Peppagon bei einem so empfindsamen Pferd wie Ostwind, aber woher hattest du das wissen sollen?«
Mika sah Sam an wie ein Auto. »Peppa – was?«
»Na, die Warmesalbe, die du ihm auf die Fesseln geschmiert hast. War sicher gut gemeint, aber das brennt wie Holle, deshalb darf man das nur ganz dunn …«, erklärte Sam. Dann bemerkte er Mikas zunehmende Ratlosigkeit.
»Du hast ihm das nicht draufgemacht?«, fragte er schließlich.
Mika schuttelte entschieden den Kopf.
»Aber … seine Gamaschen waren richtig getrankt damit. Den Geruch wurde ich uberall erkennen. Wer wurde …?«
Mika kam ins Grübeln. »Michelle hat mir diese Dinger gegeben«, erklärte sie nachdenklich.
Sie sahen sich an. Langsam, aber horbar fiel der Groschen. Mika schlug ihre Decke zuruck.
»Wir mussen nach Kaltenbach!«, rief sie. Sie schnappte sich ihre Schuhe und wollte an Sam vorbei zur Tur.
Doch ihre Mutter versperrte ihr den Weg. »Oh nein. Du musst nirgendwohin. Das ist nicht mehr unsere Angelegenheit. Wir fahren jetzt nach Hause und vergessen diese ganze … unerfreuliche Episode«, sagte sie.
»Der Ungar bringt ihn um, wenn wir nichts machen!«, schrie Mika.
Auf Elisabeths Gesicht spiegelte sich ein innerer Kampf, wahrend Phillip ratlos neben ihr stand.
Mika holte tief
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