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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wachsamen Augen eines halben Dutzends Leibwächter zubereiten.
    Der General war in Wirklichkeit ein jung aussehender Siebziger, klein und stabil gebaut, mit einer Hautfarbe wie Kaffee mit Sahne noch von seinen Jahren im Nahen Osten. Er war in der Luftwaffenakademie Ringer gewesen und hatte immer noch den breitbeinigen Gang.
    Der größere Mann war ebenfalls gut gebräunt, allerdings kam seine Hautfarbe von einer Melaninveränderung, einem Schutz gegen die Alterungswirkung von ultraviolettem Licht. Wegen seiner geraden Haltung und seinem festen Fleisch hielt die Kellnerin – die enttäuscht war, weil sie keine der beiden so offensichtlich wichtigen Persönlichkeiten erkannte – ihn für den Jüngeren. Das war ein verständlicher Irrtum. Nur die gläserne Langsamkeit seiner Bewegungen und der Gelbton des Weißen in seinen Augen gaben überhaupt einen Hinweis auf die vielen Operationen und die schmerzhaften täglichen Gesundheitsmaßnahmen, die ihn am Leben hielten und es ermöglichten, daß dieses Leben eine gewisse Ähnlichkeit mit einem normalen hatte.
    »Ich bin froh, daß wir das gemacht haben.« Wells nippte bedächtig an seinem Wein, dann setzte er das Glas ab und betupfte sich die Lippen. Er vollzog jede Bewegung mit einer solchen Überlegtheit und Exaktheit, daß er aus zartem Kristall zu bestehen schien, wie ein Wesen aus einem Märchen. »Es ist gut… woanders zu sein.«
    »Na, siehst du, und wenn unsere Jungs ihr Geld wert sind, können wir uns hier sicherer unterhalten als sogar in diesem bombensicheren Götterdämmerungsbunker unter deinem Büro. Und das Essen war auch okay. So einen Lachs kannst du an der Ostküste einfach nicht bekommen – wahrscheinlich gibt es seit dieser Seuchengeschichte gar keinen Artikel namens Ostküstenlachs mehr.« Yacoubian schob seinen Teller mit feinen Gräten beiseite und wickelte eine Zigarre aus. »Ich komm direkt zur Sache. Ich traue dem alten Mann nicht mehr.«
    Wells Lächeln war dünn und gespenstisch. »Vorsicht mit dem Wort ›alt‹.«
    »Spar dir deinen Atem. Du weißt, wen ich meine, und du weißt, was ich meine.«
    Der Eigentümer des mächtigsten Technologieunternehmens der Welt blickte seinen Begleiter eine Weile an, dann drehte er sich zu der herannahenden Kellnerin um. Seine abwesende, zerstreute Miene wurde plötzlich eiskalt. Die junge Frau, die endlich ihren Mut zusammengenommen hatte, um sich aus der Küchentür zu trauen und die Teller abräumen zu kommen, sah den Blick auf Wells’ Gesicht und erstarrte wenige Schritte vor dem Tisch.
    Der General hörte ihr erschrockenes scharfes Einatmen und sah auf.
    »Wir sagen Bescheid, wenn wir was wollen. Setz dich in die Küche oder so. Bißchen plötzlich.«
    Die Kellnerin eilte davon.
    »Es ist kein Geheimnis, daß du ihn nicht leiden kannst«, sagte Wells. »Es ist auch kein Geheimnis, daß ich ihn nicht leiden kann, obwohl mir seine Leistung einen gewissen zähneknirschenden Respekt abnötigt. Aber, wie gesagt, beides ist kein Geheimnis. Wozu also dieses Versteckspiel?«
    »Weil irgendwas schiefgegangen ist. Du hast recht, ich kann ihn nicht riechen, und ehrlich gesagt, dieses ganze ägyptische Affentheater geht mir auf den Wecker. Aber wenn alles so laufen würde wie geplant, wär mir das völlig schnurz.«
    »Wovon redest du, Daniel?« Wells’ Haltung war steif geworden. Seine seltsamen Augen, strahlendes Blau in altem Elfenbein, wirkten in seinem ausdruckslosen Gesicht noch stechender. »Was ist schiefgegangen?«
    »Die Sache mit dem Entkommenen, der ›Versuchsperson‹, wie unser furchtloser Führer ihn zu nennen beliebt. Ich hab welche von meinen Leuten ein paar Simulationen anstellen lassen – keine Bange, ich hab ihnen keine näheren Einzelheiten gegeben, nur sehr allgemeine Parameter. Und sie kriegen immer wieder dieselben Ergebnisse. Nämlich daß es nicht durch Zufall passiert sein kann.«
    »Es gibt keine Zufälle. Das ist das A und O der Wissenschaft – ich habe dir das doch schon oft genug erklärt, Daniel. Es gibt nur Muster, die wir noch nicht erkennen.«
    Yacoubian knüllte seine Serviette zusammen. »Komm mir verdammt nochmal nicht von oben herab, Wells. Ich sage dir, daß es kein Zufall war, und ich will mir keine Vorträge anhören. Nach meinen Informationen muß jemand dabei mitgeholfen haben.«
    »Jemand in … in der Gruppe? Der alte Mann selbst? Aber warum? Und wie, Daniel? Sie hätten hereinspaziert kommen und es direkt vor meiner Nase machen müssen.«
    »Verstehst du jetzt,

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