Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
lange durchgehen lassen würde. »Es ist ein phantastischer Deal.«
Er war erleichtert, aber auch ein wenig enttäuscht. Schon mehrmals waren Anwerber an ihn herangetreten, aber noch nie so direkt. »Ihr wollt mich sponsern.«
»Es ist ein phantastischer Deal«, wiederholte sie. »Als Gegenleistung mußt du dich nur verpflichten, nach deinem Studienabschluß eine Zeitlang für uns zu arbeiten. Gar nicht einmal so lange – bloß drei Jahre! Wir von Indigo Gear wetten darauf, daß es dir bei uns gefällt, und weil wir so sicher sind, daß du bei uns bleibst, lassen wir uns die Sache eine komplette Ausbildung kosten.«
Beziehungsweise ihr wettet darauf, daß ich euch in den ersten drei Jahren ein paar brauchbare Patente liefere, dachte er. Aber es ist trotzdem kein schlechtes Angebot. Nur daß diese Leute leider keine Ahnung haben, auf was für eine Wette sie sich wirklich einlassen.
»Klingt ganz nett.« Es tat fast weh zu sehen, wie ihr Lächeln breiter wurde. »Schick mir doch einfach etwas Informationsmaterial.« Wenn sonst nichts, konnte er wenigstens seiner Mutter eine kleine Freude damit machen.
»Unbedingt. Und übrigens – du hast ja jetzt meine Nummer. Wenn du irgendwelche Fragen hast, Orlando, ruf mich einfach jederzeit an. Jederzeit. Das meine ich ernst.«
Es klang beinahe wie das Versprechen, mit ihm zu schlafen. Er mußte grinsen. Träum weiter, Gardiner!
»Okay. Schick mir die Sachen, und ich denke auf jeden Fall darüber nach.«
Nach einigen weiteren enthusiastischen Versicherungen ging Elaine Strassman aus der Leitung. Orlando schloß wieder die Augen. Er wählte aus seiner Musiksammlung das neue Album Pharaoh Had To Shout aus, stellte es leise und legte sich zurück, um nachzudenken.
Das erste Stück lief gerade fünf Minuten, als er die Augen aufmachte. »Beezle«, sagte er. »Bug. Ruf Elaine Soundso unter ihrer Nummer an.«
»Strassman.«
»Ja, ja. Hol sie an den Apparat.«
Sie hatte gesagt, er solle sie anrufen, wenn er irgendwelche Fragen habe. Ihm war soeben eine Frage eingefallen.
> »Ich hab dich schon beim erstenmal verstanden, du mußt es nicht nochmal sagen. Ich kann’s bloß nicht glauben.« Fredericks verschränkte die Arme über der Brust wie ein gekränktes Kind.
»Was kannst du nicht glauben? Daß die Leute, die den Greif gemacht haben, über Verbindungen zu TreeHouse verfügen?« Orlando versuchte sich zu bezähmen. Mit Drängeln beschleunigte man bei Fredericks nie etwas – er hatte eine störrische Ader, die so breit war wie seine simulierten Schultern.
»Natürlich glaub ich das. Aber ich kann nicht glauben, daß du wirklich meinst, da reinzukommen. Das ist Fen-fen hoch zehn, Gardiner.«
»Oh, Mann.« Orlando begab sich in Fredericks’ Blickrichtung und stellte sich vor das Fenster mit dem kreidezeitlichen Sumpf, das sein Freund mißmutig angestarrt hatte. »Hör zu, ich glaub es nicht, ich weiß es! Das versuch ich dir schon die ganze Zeit zu erklären. Dieser Techniker von Indigo Gear wird mich reinbringen – uns reinbringen, wenn du mitkommen willst.«
»In TreeHouse? Irgendein Typ, den du noch nie gesehen hast, wird zwei Kids in TreeHouse reinschmuggeln? Nur zum Spaß? Schieß nochmal, Gardiner, ich schnauf noch.«
»Okay, nicht nur zum Spaß. Ich hab ihnen gesagt, daß ich ihren Sponsoringvertrag unterschreibe, wenn mich jemand einen Tag lang in TreeHouse reinbringt.«
Fredericks fuhr auf. »Was hast du? Orlando, das ist mir ’ne Nummer zu scännig! Du verpflichtest dich, dein halbes Leben für irgendeinen Gearladen zu arbeiten, bloß um rauszukriegen, wer diesen dämlichen Greif gebaut hat?«
»Es ist nicht mein halbes Leben. Es sind drei Jahre. Und es ist ein ziemlich guter Deal.« Er erzählte Fredericks nichts von seiner stillen Überzeugung, daß er diese Frist niemals abdienen würde. »Komm schon, Frederico. Selbst wenn ich übergeschnappt bin – es ist TreeHouse! Du willst dir doch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, da reinzukommen, oder? Es wirklich zu sehen! Du mußt doch nicht für Indigo arbeiten.«
Sein Freund musterte ihn eingehend, als hoffte er, hinter dem Sim den wirklichen Menschen zu erkennen – eine vergebliche Hoffnung. Es ging Orlando kurz durch den Kopf, ob es irgendwie dem Gehirn schaden konnte, wenn man jahrelange Freundschaften mit Leuten pflegte, die man in der wirklichen Welt nie gesehen hatte.
»Ich mach mir Sorgen um dich, Gardiner. Du nimmst diese Sache viel zu ernst. Erst läßt du Thargor draufgehen,
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