Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
zu etwas illegalem bekannte, während er im Knoten eines Fremden war. »Ich bin Thargor.«
»Keine Frage.« Scottie wandte sich an Fredericks. »Und du?«
»Äh … ich weiß nicht. James vielleicht.«
»Wunderbar. Habt ihr ’ne Blindverbindung hergestellt, damit ihr mir folgen könnt, wie ich es euch gesagt habe? Wunderbar. Los geht’s.«
Einen Augenblick herrschte Finsternis, dann herrschte der helle Wahnsinn.
»O mein Gott«, sagte Fredericks. »Dsang! Das ist ja unglaublich!«
»Das ist das Netz, Jim«, sagte Scottie, »aber nicht so, wie wir es kennen.« Sein Lachen war ein merkwürdiges Geräusch voll Jaulen und Flattern. »Kein Lachzwang. Der Witz ist uralt.«
Orlando war still und versuchte, sich in TreeHouse zu orientieren. Anders als die kommerziellen Räume des Netzes, in denen bestimmte Gesetze der wirklichen Welt wie Horizont und Perspektive zwingend vorgeschrieben waren, schien TreeHouse kleinlichen Newtonschen Konventionen kollektiv den Rücken gekehrt zu haben.
»Jetzt seid ihr euch selbst überlassen, Jungs.« Scottie hob einen Zeigefinger hoch, der mit roten Markierungen versehen war. »Das System wird euch um 16:00 Uhr Greenwich ausspucken – in ungefähr zehn Stunden. Wenn ihr vorher gehen wollt, dürfte das kein Problem sein, aber wenn ihr offline geht und es euch dann nochmal anders überlegt, könnt ihr mit mir nicht mehr rechnen.«
»Klar.« Unter gewöhnlichen Umständen hätte Orlando innerlich über den herablassenden großbrüderlichen Ton des Technikers gekocht, aber im Augenblick war er zu sehr damit beschäftigt, eine Zerrwelle zu beobachten, die über die Strukturen direkt vor ihm rieselte und veränderte Farben und verformte Muster hinter sich zurückließ.
»Und wenn ihr in Schwierigkeiten geratet und meinen Namen erwähnen wollt, nur zu. Es wird euch allerdings nichts nützen, da das nicht das Handle ist, unter dem ich hier laufe.«
Herrje, dieser Heini hielt sich für echt witzig. »Das heißt, wir dürften von Rechts wegen gar nicht hier sein oder was?«
»Doch, ihr seid Gäste. Ihr habt genau dieselben Rechte wie jeder andere Gast. Wenn ihr wissen wollt, welche das sind, könnte ihr im zentralen Index nachschauen, aber in organisatorischen Dingen ist dieser Laden Kacke – es könnte euch passieren, daß ihr immer noch nach den Bestimmungen sucht, wenn eure Zeit abgelaufen ist. Tschüs.« Er krümmte den erhobenen Finger und verschwand.
Während Orlando noch vor sich hinschaute, kam ein blauer Diesellaster, der aus Zweigen und Ästen zu bestehen schien, zwischen zwei Strukturen hervorgesaust und polterte über die Stelle, die Scottie soeben geräumt hatte. Sein Gehupe war selbst für TreeHouse-Verhältnisse laut, so daß sie beide einen großen Satz machten, aber obwohl er ganz knapp an ihnen vorbeidonnerte, gab es keinen Wind, keine Vibration. Er bog um eine Ecke und fuhr steil nach oben durch die Luft auf eine andere Gruppe von gebäudeähnlichen Dingern zu, die über ihnen hing.
»Tja, Frederico«, sagte Orlando. »Da wären wir.«
In den ersten paar Stunden erhielten sie mehrere Einladungen, bei Diskussionsgruppen mitzumachen, mehrere andere, an Vorführungen von neuem Gear teilzunehmen – was Orlando unter normalen Umständen liebend gern getan hätte –, und zwei Gruppenheiratsanträge. Nur der Beantwortung ihrer Fragen zur Greiffabrikation kamen sie nicht näher.
»Dieser Index dumpft vollkommen!« sagte Fredericks. Sie hatten ein relativ stilles Eckchen gefunden und starrten auf ein Datenfenster, das sich standhaft weigerte, ihnen nützliche Informationen zu geben. »Man findet überhaupt nichts!«
»Nein, es ist völlig einwandfreies Gear – ganz großartiges Gear sogar. Das Problem ist, daß keiner es aktualisiert. Oder doch, es wird aktualisiert, aber völlig zufällig. Hier sind Tonnen von Daten, Terabytes, aber so, als hätte jemand die Seiten aus einer Million Papierbüchern gerissen und sie auf einen Haufen geschmissen. Es ist aus nichts zu ersehen, wo irgendwas ist. Wir brauchen einen Agenten.«
Fredericks stieß ein theatralisches Stöhnen aus. »Nicht Beezle Bug! Alles nur nicht das!«
»Block dich. Ich kann ihn sowieso nicht benutzen – TreeHouse ist vom übrigen Netz abgeschottet, und Scottie hat uns nicht sehen lassen, wie wir hergekommen sind. Beezle ist in meinem System, ich könnte mit ihm reden, wenn ich wollte, oder ihn losschicken, daß er andere Netzdatenbanken überprüft, aber in dieses System kriege ich ihn nicht
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