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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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dann vermasselst du deine Chancen beim Hohen Schiedsgericht, jetzt hast du … was weiß ich, irgendeinem Unternehmen deine Seele verkauft – und alles bloß wegen dieser Stadt, die du vielleicht fünf Sekunden lang gesehen hast. Geht dir der Verstand flöten oder was?«
    Orlando verkniff sich eine sarkastische Bemerkung. Statt dessen fragte er sich auf einmal, ob Fredericks recht haben könnte, und allein schon die Tatsache, daß er sich das fragte, der kurze Verlust der Sicherheit, jagte ihm einen eisigen Schrecken ein. Der Ausdruck dafür war »Demenz«, er hatte ihn in etlichen medizinischen Artikeln gelesen.
    »Gardiner?«
    »Sei mal ’ne Sekunde still, Fredericks.« Er prüfte seine Angst, fühlte nach, wie weit sie ihn in ihrem kalten Griff hatte. Konnte sein Freund recht haben?
    Andererseits, was spielte es für eine Rolle? Wenn er tatsächlich den Verstand verlor, war es dann nicht egal, ob er sich zum Narren machte? Er wußte nur eins: Als er die Stadt gesehen hatte, hatte sie ihm das Gefühl gegeben, daß es in einem Leben, das ansonsten voll von gräßlichen Gewißheiten war, doch noch etwas zu staunen und zu fragen gab. Und in seinen Träumen hatte die Stadt eine noch größere Bedeutung angenommen. Sie hatte genau die Größe, Form und Farbe der Hoffnung … eines Gefühls, das er ein für allemal verloren geglaubt hatte. Und das war wichtiger als alles andere.
    »Ich schätze, du wirst mir einfach vertrauen müssen, du alter Zwistkäfer.«
    Sein Freund saß eine Zeitlang nur still da. »Okay«, sagte er schließlich. »Aber ich werde nicht gegen irgendwelche Gesetze verstoßen.«
    »Kein Mensch verlangt, daß du gegen das Gesetz verstößt. TreeHouse ist im Grunde nicht illegal. Na ja, vielleicht doch, ich weiß nicht genau. Aber denk dran, wir sind beide minderjährig. Der Typ, der uns reinlotst, ist erwachsen. Wenn jemand Scherereien kriegt, dann er.«
    Fredericks schüttelte den Kopf. »Du bist so dämlich, Gardino.«
    »Wieso?«
    »Wenn dieser Typ bereit ist, gegen das Gesetz zu verstoßen, nur damit du bei Indigo anheuerst, dann müssen die dich wirklich wollen. Heiliger Bimbam, du hättest denen wahrscheinlich einen Privatjet oder sowas aus dem Kreuz leiern können.«
    Orlando lachte. »Frederico, du bist mir der Richtige.«
    »Ach ja? Ein Grund mehr, nicht auf einem deiner bescheuerten Trips draufzugehen, Gardiner.«
     
    »Du willst doch nicht im Ernst diesen Sim anziehen?«
    »Reg dich ab, Fredericks. Natürlich will ich ihn anziehen.« Er beugte Thargors ledergeschienten Arm. »Ich kenn ihn besser als meinen eigenen Körper.«
    Ach ja? dachte er. Schön wär’s.
    »Aber für… für TreeHouse! Solltest du da nicht was … was weiß ich … was Interessanteres anziehen?«
    Orlando zog ein finsteres Gesicht, was der Thargorsim hervorragend wiedergab. »Es ist kein Kostümfest. Und wenn die Leute in TreeHouse schon ewig häcken, dann dürften sie von einem geilen Sim nicht groß zu beeindrucken sein. Ich will einfach diese Sache durchziehen.«
    Fredericks zuckte mit den Achseln. »Ich werde jedenfalls nichts anziehen, was irgendwer erkennen könnte. Wir könnten Schwierigkeiten kriegen – die Sache ist illegal, Orlando.«
    »Klar doch. Als ob da in TreeHouse haufenweise Leute rumhängen, die sagen werden: ›Guck mal, ist das nicht Pithlit, die berühmte, ein wenig nervöse Figur aus der Simwelt Mittland?‹«
    »Block dich. Ich will bloß kein unnötiges Risiko eingehen.« Fredericks schwieg einen Moment. Orlando hatte das sichere Gefühl, daß er das Online-Gegenstück zu einer Selbstbetrachtung im Spiegel machte – seine Spezifizierungen studierte. »Das hier ist einfach ein ganz normaler Körper.«
    »Ziemlich muskelbepackt, wie üblich.« Fredericks erwiderte nichts, und Orlando überlegte kurz, ob er seinen Freund verletzt hatte. Fredericks konnte schnell sehr mimosig werden. »Also, bist du bereit?« fragte er.
    »Ich kapier’s immer noch nicht. Dieser Typ will uns einfach dahin befördern? Wir müssen gar nichts machen?«
    »Im wesentlichen will er sich im Hintergrund halten, denke ich. Elaine Strassman – diese Anwerberin – wollte mir weder seinen Namen noch sonstwas verraten. Sie sagte bloß: ›Man wird dich kontaktieren‹, richtig spionagemäßig. Und dann ruft er mich an und sagt, er heißt ›Scottie‹. Schwarzes Bild, verzerrte Stimme. Sagt, er steigt die Leiter hoch, was immer das heißen mag, und wenn er drin ist, holt er uns als Gäste nach. Er will nicht, daß wir

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