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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schreckenslaut von sich und schluckte Wasser. Hustend schwamm er mit heftigen Stößen auf die Steintreppe zu.
    Etwas Riesenhaftes zog dicht unter ihnen dahin. Es stieg auf, und der entstehende Schwall schleuderte sie zur Seite. Paul sah nur wenige Meter entfernt erst eine und dann fünf, sechs schlangenartige Formen mit ziellosen Windungen die Wasseroberfläche durchbrechen. Gally wehrte sich aus Leibeskräften, und nur wenige Züge vor den Stufen kam Paul nicht mehr vom Fleck.
    »Laß das!« schrie er Gally ins Ohr, aber der Junge schlug immer noch schwach mit den Händen. Paul hob ihn so weit aus dem Wasser, wie er konnte, schwang ihn unter heftigem Treten etwas zurück und warf ihn auf die breite Stufe. Die Kraftanstrengung drückte Paul unter Wasser. Er riß die Augen auf. Eine riesige, dunkle und gesichtslose Gestalt mit einem faltigen Loch voll gekrümmter Stacheln als Maul und einem Kranz tauartiger Arme suchte ihn zu schnappen. Es war zu spät, um die Treppe zu erreichen. Er tauchte mit aller Kraft nach unten, strampelte mit den Beinen, um tiefer zu kommen. Die Schlangenarme glitschten über seinen Kopf. Er spürte etwas wie Gummi an seiner Seite scheuern, dann wurde er kurz gepackt und herumgewirbelt. Er ploppte an die Oberfläche wie ein Korken, ohne zu wissen, wo oben und unten war, und ohne sich recht klar zu sein, ob ihn das noch interessierte. Eine dünne Hand schloß sich um seinen Arm, eine menschliche Hand.
    »Es kommt zurück!« kreischte Gally.
    Paul stemmte sich mühsam auf die unter Wasser liegende Stufe und robbte sich mit Hilfe des Jungen die schlüpfrigen Steine zu der Insel hoch. Kaum waren seine Füße aus dem Wasser, da schlug ein glänzender schwarzer Arm nach ihm aus und klatschte dicht neben ihm auf den Stein. Das Ding glitt in den Fluß zurück, und ein Meter hohe Wellen schwappten auf die Stufen.
    Paul kraxelte weiter bis zu der Plattform am Fuße der kleinen Pyramide. Er setzte sich mit dem Rücken an die unterste Lage quadratischer Steine und umschlang seine Knie, bis das Zittern nachließ.
    »Mir ist kalt«, sagte Gally schließlich.
    Paul stellte sich auf seine wackligen Beine, dann hielt er dem Jungen die Hand hin. »Laß uns mal da drüben schauen, wo die Bäume sind.«
    Ein gefliester Pfad führte von der Pyramide zum Hain. Paul registrierte geistesabwesend das Muster unter ihren Füßen, ein kompliziertes, verwirbeltes Geflecht, das ihm irgendwie bekannt vorkam. Er schnitt eine Grimasse. Es gab so weniges, woran er sich deutlich erinnern konnte. Und wo war er jetzt?
    Die Bäume, die die Lichtung ringsum säumten, hatten lange silbrige Blätter, die leise raschelten, wenn der Wind sie aneinanderrieb. In der Mitte stand auf einem niedrigen Grashügel ein kleiner Steinbau, der an einer Seite offen war. Von dem Feuer oben auf der Pyramide drang nur wenig Licht durch das silberne Geäst, aber es reichte aus, um Paul zu zeigen, daß der Bau ebenso menschenleer war wie die übrige Insel. Sie traten näher und fanden im Innern einen Steintisch vor, auf dem hohe Stapel von Früchten und kegelförmigen Brotlaiben lagen. Das Brot war weich und frisch. Bevor Paul ihn daran hindern konnte, hatte Gally ein Stück abgerissen und sich in den Mund gestopft. Paul zögerte nur kurz, dann folgte er seinem Beispiel.
    Sie verzehrten auch mehrere der Früchte, indem sie die rauhen Schalen aufrissen, um an das süße Fruchtfleisch zu kommen. Mit klebrigen Fingern und Mündern setzten sie sich an die kühlen Kacheln der Innenwand zurück und schwiegen eine Weile satt und zufrieden.
    »Ich bin sehr müde«, sagte Paul schließlich, aber der Junge hörte ihn nicht. Neben Pauls Bein wie ein Kaninchen zusammengerollt, war Gally bereits in seinen üblichen tiefen, todesähnlichen Schlaf gesunken. Paul bemühte sich, so lange wie möglich wach zu bleiben, weil er fand, der Junge bräuchte Schutz, aber zuletzt übermannte ihn die Erschöpfung.
     
    Das erste, was Paul sah, als er ruckartig erwachte, war die beruhigende Gestalt des Mondes hoch am Himmel. Als er dessen seltsam unregelmäßige Silhouette bemerkte, ließ die beruhigende Wirkung schon deutlich nach. Dann sah er den zweiten Mond.
    Das Geräusch, das ihn geweckt hatte, wurde lauter. Es war ganz zweifellos Musik, ein melodischer Gesang in einer Sprache, die er nicht erkannte. Er hielt Gally den Mund zu und rüttelte ihn sanft wach.
    Als der Junge die Situation begriff, ließ Paul ihn los. Sie spähten aus dem Gebäude hervor und sahen ein langes

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