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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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»Ich hole euer Gepäck aus dem Kofferraum«, sagte er.
    Renie blitzte ihren Vater böse an, bevor sie ausstieg und mit anpackte.
    Jeremiah brachte sie nach oben, wies ihnen zwei Zimmer an und zeigte ihnen, wo Bad und Toilette waren. Renie hatte den Eindruck, daß ihr Zimmer mit dem verblaßten Muster herumtollender Stoffpuppen auf der Tapete einmal für ein Kind gedacht gewesen sein mußte, obwohl die Van Bleecks nie eines gehabt hatten. Sie hatte nie viel über Susans Kinderlosigkeit nachgedacht, aber jetzt fragte sie sich, ob der Kummer darüber vielleicht größer gewesen war, als die Professorin hatte durchblicken lassen.
    Sie steckte den Kopf in das Zimmer ihres Vaters. Er saß auf dem Bett und beäugte mißtrauisch die antiken Möbel. »Vielleicht solltest du dich hinlegen und ein Nickerchen machen, Papa.« Sie sagte es absichtlich eher befehlend als vorschlagend. »Ich mach uns was zu essen. Ich ruf dich, wenn es fertig ist.«
    »Ich weiß nich, ob ich hier zurechtkomm. So’n großes altes leeres Haus. Na ja, ich kann’s probieren.«
    »Tu das.« Sie schloß die Tür und blieb ein Weilchen stehen, bis sich ihr Unmut gelegt hatte. Sie ließ ihren Blick über die Wände schweifen, über den breiten, hohen Flur.
    Stephen würde es hier gefallen, dachte sie. Bei dem Gedanken, wie er aufgeregt den Korridor entlangspringen und dieses neue Haus auskundschaften würde, wurde ihr plötzlich vor Sehnsucht regelrecht schwindlig. Mit brennenden Tränen in den Augen taumelte sie und mußte sich am Geländer festhalten. Minuten vergingen, bevor sie sich wieder so weit gesammelt hatte, daß sie in die Küche hinuntergehen und sich für das Benehmen ihres Vaters entschuldigen konnte.
    Jeremiah, der gerade einen bereits glänzenden Topf polierte, winkte ab, als sie erklären wollte. »Versteh ich. Er ist genau wie mein Vater. Der hat auch nie ein gutes Haar an jemand gelassen.«
    »So schlecht ist er gar nicht«, entgegnete Renie und fragte sich sofort, ob das wirklich stimmte. »Er hat es einfach schwer seit dem Tod meiner Mutter.«
    Dako nickte, aber wirkte nicht überzeugt. »Ich werde etwas später am Abend euern Freund abholen und koche dann gerne für alle etwas zum Abendessen.«
    »Vielen Dank, Jeremiah, aber das ist wirklich nicht nötig.« Sie stutzte ein wenig, als sie den Ausdruck der Enttäuschung auf seinem Gesicht sah. Vielleicht war auch er einsam. Soweit sie wußte, gab es außer Susan Van Bleeck und seiner Mutter keine anderen Menschen in seinem Leben, und Susan war tot. »Du hast so viel für uns getan, da finde ich, daß ich heute abend für dich kochen sollte.«
    »Du willst in meiner Küche rummurkeln?« fragte er in einem säuerlichen Ton, der nur halb scherzhaft war.
    »Mit deiner gütigen Erlaubnis. Und Ratschläge werden gern entgegengenommen.«
    »Hmmm. Mal sehen.«
     
    Es war ein langer Weg zwischen der Küche und dem Wohnzimmer, und Renie wußte nicht, wo die Lichtschalter waren. Sie ging mit großer Vorsicht Flure entlang, die nur von dem schwachen, durch die hohen Fenster von außen einfallenden orangegelben Licht erhellt wurden, und hatte mit den hinderlichen Topflappen an den Händen alle Mühe, den Keramikdeckel auf der Kasserolle zu halten. Die Dunkelheit kam ihr vor wie etwas Greifbares, Mächtiges, etwas Altes, gegen das die Sicherheitsbeleuchtung eine unzulängliche menschliche Abwehrmaßnahme darstellte.
    Sie fluchte, als sie sich das Knie an einem nahezu unsichtbaren Tisch stieß, aber die beruhigenden Geräusche der anderen tönten ihr durch den Korridor entgegen. Irgend etwas war immer am anderen Ende der Dunkelheit, nicht wahr?
    Jeremiah und ihr Vater führten eine angespannte Unterhaltung über das reiche Viertel Kloof ringsherum. !Xabbu , der seine ganze irdische Habe in einem einzigen kleinen, billigen Koffer mitgebracht hatte, riß sich bei ihrem Kommen von Susans Höhlenbildfoto los.
    »Renie, ich hörte dich gegen etwas stoßen. Hast du dir weh getan?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es war nur leicht. Ich hoffe, ihr habt alle Appetit.«
    »Hast du in der Küche gefunden, was du brauchtest?« Jeremiah zog eine Braue hoch. »Ist was kaputt gegangen?«
    Renie lachte. »Nur mein Stolz. Ich hab mein Lebtag noch nicht so viele Kochutensilien gesehen. Ich komme mir richtig ärmlich vor. Ich hab immer nur einen Topf und zwei Pfannen benutzt.«
    »Mach dich nich runter, Mädel«, sagte ihr Vater streng. »Du kannst prima kochen.«
    »Das dachte ich auch immer, bis ich Jeremiahs Küche

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