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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Regen horizontal vor sich her. Die Zeit schien sehr langsam zu vergehen, und die einzige Abwechslung waren die gelegentlichen, unangenehm nahen Blitze über ihnen. Trotz Renies Ermahnungen, die Batterie zu schonen, stellte Jeremiah Musik an, ein leichtes, aber penetrantes Popgedudel, das nichts zur Beruhigung ihrer wundgescheuerten Nerven beitrug.
    »Warum hamse die hingemacht?« fragte ihr Vater und stierte die graue Platte an.
    »Sieht aus, als hätten sie den Ort bombensicher machen wollen oder so.« Sie blickte die steile Bergwand darüber hinauf. »Und sie haben das Tor ein wenig zurückgesetzt. So ist es für jemand, der drüberfliegt, nicht zu sehen.«
    Long Joseph schüttelte den Kopf. »Vor wem soll das hier geschützt werden?«
    Renie zuckte mit den Achseln. »Martine sagt, es wäre ein Militärstützpunkt gewesen. Ich nehme an, die Antwort lautet: ›Vor allen und jedem.‹«
    !Xabbu kam mit einem Armvoll Holz zurück, triefend naß, aber anscheinend unbekümmert um den Regenguß. »Wenn wir nicht hineinkommen, werden wir ein Feuer brauchen«, erklärte er. In seiner Hosentasche steckte, ein wenig unpassend zu seinem altmodischen Sakko und seiner antiquierten Krawatte, ein großes Fahrtenmesser.
    »Wenn wir nicht reinkommen, suchen wir uns gefälligst eine anständige Bleibe für die Nacht.« Jeremiah saß mit über der Brust verschränkten Armen auf der Kühlerhaube seines Autos und blickte kreuzunglücklich drein. »Im Auto ist nicht genug Platz, und ich werde mit Sicherheit nicht im Regen schlafen. Außerdem gibt es hier oben wahrscheinlich Schakale und wer weiß, was sonst noch.«
    »Wo sollen wir denn hin ohne Geld …?« fing Renie an, als ein Knirschen, das noch lauter war als der Donner, sie erschrocken auffahren ließ. Die Betonplatte glitt langsam hoch und gab den Blick auf eine schwarze Leere im Innern des Berges frei. Singhs triumphierender Schrei übertönte noch den Lärm des aufgehenden Tores.
    »Ichiban! Ich hab’s!«
    Renie stellte die Musik aus und blickte in die Öffnung. Drinnen regte sich nichts. Sie trat durch den strömenden Regen heran und spähte vorsichtig hinein, denn sie befürchtete Bomben oder sonstige Gefahren, wie sie sie aus Agententhrillern kannte, doch sie sah nichts als einen Betonfußboden, der sich in der Dunkelheit verlor.
    »Ehrlich gesagt, das war eine harte Nuß.« Die Stimme des alten Häckers knisterte durch die eingetretene Stille. »Ich hatte ordentlich dran zu tun – und ohne rohe Gewalt ging gar nichts. Einer von den alten staatlichen Verschlüsselungscodes, und die waren schon immer saumäßig zu knacken.«
    » !Xabbu «, rief Renie, »hast du nicht gesagt, du könntest Feuer machen? Dann los, mach. Wir gehen hinein, und dazu brauchen wir Fackeln.«
    »Spinnst du, Mädel?« Ihr Vater schob sich aus der Hintertür und richtete sich auf. »Wir ham das Auto, und das Auto hat Scheinwerfer. Wozu da Fackeln?«
    Renie unterdrückte eine kurz aufflackernde Gereiztheit. »Weil jemand mit einer Fackel das Auto leichter reinlotsen kann. Wenn sie den Fußboden rausgenommen haben oder sowas, können wir es auf die Art eher merken und müssen nicht erst Jeremiahs teure Karosse in eine zehn Meter tiefe Grube fahren.«
    Ihr Vater betrachtete sie einen Moment stirnrunzelnd und nickte dann zustimmend. »Ziemlich clever, Mädel.«
     
    »… Versucht bloß nicht, irgend etwas anzuschalten«, sagte Martine. »Wenn hier drin noch Geräte sind, und seien es bloß Lampen, dann kann auch der Strom noch angeschlossen sein.«
    »Aber genau das wollen wir doch, oder?« Renie wartete ungeduldig auf !Xabbu , der unter dem Überhang kniete und gerade mit ihrem Feuerzeug einen langen Stock anzündete, um dessen Spitze er trockenes Reisig gepackt hatte. »Wir suchen doch gerade nach Geräten. Wir müssen das Zeug benutzen, und ich bezweifle, daß es von frommen Gedanken betrieben wird.«
    »Wir werden das Problem lösen, sobald wir können«, erwiderte Martine mit einer gewissen Anspannung in der Stimme. »Aber denk mal nach. Wenn dies ein stillgelegter Stützpunkt ist, wie meine Nachforschungen ergeben haben, wird es dann nicht Verdacht erregen, wenn er anfängt, Strom zu verbrauchen? Ist das ein Risiko, das du eingehen möchtest?«
    Renie schüttelte den Kopf. »Du hast recht. Wir werden noch nichts anrühren.« Sie schämte sich, daß sie nicht selbst daran gedacht hatte. Tschaka Zulu, weiß Gott!
    »Ich gehe voraus.« !Xabbu schwenkte seine improvisierte Fackel. »Ihr anderen folgt

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