Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
diese Räuberhöhle hier gebaut und dann die andern Etagen drüber. Sie konnten das Zeug hier nich rausschaffen, ohne nich den ganzen verdammten Berg in die Luft zu jagen!«
!Xabbu war bereits hinausgetreten. Renie folgte ihm.
Die Decke war fünfmal so hoch wie in der Garage, ein großes Natursteingewölbe mit Unmengen kastenartiger Beleuchtungskörper, jeder so groß wie ein Doppelbett. Diese erglühten langsam in einem gelblichen Dämmerlicht, als ob jemand sie zu Ehren der Besucher angeschaltet hätte. Rings um die Wände herum liefen mehrere Emporen mit Büroräumen, die anscheinend in den nackten Fels gehauen worden waren, vorne mit Laufstegen abgegittert. Renie und die anderen standen auf dem dritten Laufsteg von unten und blickten auf den wenigstens zwölf Meter darunter liegenden Boden der Höhle.
Überall auf dem Geschoß standen Zeilen mit Geräten, viele mit Plastikhüllen überzogen, obwohl es auch Lücken gab, wo offensichtlich etwas fehlte. Kabel hingen wie titanische Spinnweben aus einem Netz von Kanälen. Und in der Mitte des Raumes, wuchtig und befremdlich wie die Sarkophage toter Gottkönige, standen zwölf riesige Keramikwannen.
Kapitel
Wiedersehen mit dem Onkel
NETFEED/NACHRICHTEN:
UN befürchten neue Bukavu-Art
(Bild: Haufen ghanaischer Bukavuopfer vor einem Krankenhaus in Accra)
Off-Stimme: Vor Ort tätige UNMed-Mitarbeiter melden eine mögliche neue Variante des Bukavuvirus. Die neue Art, inoffiziell bereits »Bukavu 5« genannt, hat eine längere Inkubationszeit, wodurch Überträger die Krankheit weiter verbreiten können als bei Bukavu 4, das in zwei bis drei Tagen zum Tod führt …
(Bild: UNMed-Präsident Injinye auf einer Medienkonferenz)
Injinye: »Diese Viren mutieren sehr rasch. Wir bekämpfen eine Reihe epidemischer Flächenbrände in ganz Afrika und auf dem indischen Subkontinent. Bis jetzt ist es uns gelungen, diese Brände unter Kontrolle zu halten, aber ohne stärkere finanzielle Unterstützung dürfte ein größerer Krankheitsausbruch unvermeidlich sein.«
> Ein Mann wurde draußen im Hof lebendig begraben und hämmerte von innen wie wild gegen seinen Sarg, während von oben Erde auf den Deckel plumpste. Weiter oben im Deckengewölbe wickelte ein großes, zottiges, spinnenartiges Ungetüm einen anderen Zeitgenossen mit Webfäden ein, die den Schreien des Opfers nach zu urteilen wie Säure brannten. Es war alles sehr, sehr langweilig.
Orlando fand, daß sogar die Hausskelette ziemlich langsam und müde wirkten. Er sah zu, wie der kleine Trupp, der auf seinem Tisch Manöver durchführte, bei dem Versuch scheiterte, die virtuelle Zuckerdose zu verrücken. Sie kippte um und zerquetschte ein Dutzend von ihnen in winzige simulierte Knochensplitter. Orlando verzog keine Miene.
Fredericks war nicht da. Keiner der anderen Stammkunden des Last Chance Saloon konnte sich erinnern, ihn gesehen zu haben, seit die beiden das letzte Mal zusammen dagewesen waren.
Orlando zog weiter.
Sein Freund hielt sich auch in keinem der anderen Etablissements in der Terminal Row auf, obwohl jemand im Living End meinte, ihn kürzlich gesehen zu haben, aber da diese Zeugin den Spitznamen Nebelkopf hatte, schenkte Orlando ihrer Aussage kein großes Vertrauen. Er war ziemlich besorgt. Er hatte im Laufe der letzten Woche mehrere Mitteilungen hinterlassen, sowohl bei Fredericks direkt als auch bei gemeinsamen Bekannten, aber Fredericks hatte auf keine reagiert, ja sie nicht einmal abgerufen. Orlando hatte angenommen, daß Fredericks genau wie er selbst am Schluß ihrer Rundreise durch TreeHouse dort rausgeflogen und wieder in seinem normalen Leben gelandet war, daß er sauer war, weil Orlando ihn in diese neueste Obsession hineingezogen hatte, und sich bloß deshalb nicht meldete. Jetzt fragte er sich langsam, ob vielleicht etwas Ernsteres vorgefallen war.
Orlando sprang abermals, diesmal nach Mittland, aber statt im »Dolch und Galgen« im Diebesviertel des alten Madrikhor, seinem üblichen Startpunkt zu neuen Abenteuern, befand er sich auf einmal auf einer breiten Steintreppe vor einer mächtigen hölzernen Flügeltür, auf der das Bild einer riesigen Waage prangte.
Der Tempel des Hohen Schiedsgerichts, dachte er. Wow. Die Beratung war schnell gegangen.
Die Türflügel öffneten sich, und die Fackeln in den Wandhaltern flammten auf. Orlando, jetzt in seinem vertrauten Thargorsim, trat vor. Trotz seiner momentanen Unlust war es schwer, sich der Feierlichkeit der Szene zu entziehen. Der
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