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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der normalen Bandbreite komprimiert, quäkte aus dem Pad. »Herrje, was anderes als meckern könnt ihr auch nicht! Seid doch dankbar, daß dieses Ding nicht dichtgemacht ist oder stillgelegt, oder wie sich das sonst schimpft. Es hätte ein ganzes Ende schwerer sein können, reinzukommen, ganz zu schweigen davon, daß keine bewaffneten Wachposten da waren, was mit Sicherheit eine zusätzliche Schwierigkeit gewesen wäre.« Er hörte sich eher gekränkt an als wütend, vielleicht weil er seine Fähigkeiten in Zweifel gezogen sah. »Ich werd’s schon hinkriegen, aber das sind die originalen Handabdruckleser. Die sind um einiges härter zu knacken als ein einfaches Codesystem.«
    »Ich weiß«, sagte Renie. »Und wir sind dir auch dankbar. Wir haben’s schwer im Moment, das ist alles. Die letzten paar Tage waren ziemlich aufreibend.«
    »Aufreibend?« Dem alten Mann schien der Kragen zu platzen. »Ihr solltet mal versuchen, in das am schärfsten bewachte Netzwerk der Welt einzubrechen, wenn alle paar Minuten die Schwester reinkommt, um eure Bettpfanne zu kontrollieren oder darauf zu bestehen, daß ihr den Reispudding aufeßt. Außerdem sind in diesem verdammten Laden keine Schlösser an den Türen, so daß ständig irgendwelche senilen alten Arschlöcher reingeschneit kommen, weil sie denken, es wäre ihr Zimmer. Gar nicht zu reden davon, daß ich Magenschmerzen hab von den Medikamenten, die ich nehmen muß, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Und bei alledem versuch ich noch nebenbei, euch am Sicherheitssystem eines streng geheimen Militärstützpunkts vorbeizumogeln. Also erzähl du mir nichts von aufreibend!«
    Wie ein begossener Pudel trottete Renie davon. Ihr tat der Kopf weh, und ihr Schmerzmittel war ausgegangen. Sie steckte sich eine Zigarette an, obwohl sie eigentlich gar keine wollte.
    »Niemand ist heute glücklich«, sagte !Xabbu leise. Renie zuckte zusammen. Sie hatte ihn nicht kommen gehört.
    »Was ist mit dir? Du siehst doch ganz glücklich aus.«
    In !Xabbus Blick schwang eine traurige Amüsiertheit, und Renie bereute die Schärfe ihrer Reaktion. »Natürlich bin ich nicht glücklich, Renie. Ich bin unglücklich wegen der Sachen, die dir und deiner Familie passiert sind. Ich bin unglücklich, weil ich die Sache, die ich auf der Welt am meisten machen möchte, nicht weiterführen kann. Und ich habe Angst, daß wir etwas wirklich Gefährliches entdeckt haben, wie ich dir schon einmal sagte, und daß es nicht in unserer Macht liegen könnte, etwas dagegen zu tun. Aber wütend zu werden wird uns nicht helfen, wenigstens im Moment nicht.« Er lächelte leicht, und seine Augenwinkel legten sich in Falten. »Vielleicht werde ich später wütend sein, wenn die Situation besser ist.«
    Sie war erneut dankbar für seine ruhige Freundlichkeit, aber in diese Dankbarkeit mischte sich ein ganz leiser Groll. Seine ausgeglichene Art gab ihr das Gefühl, daß ihr verziehen wurde, ein ums andere Mal, und sie wollte nicht verziehen bekommen.
    »Wenn die Situation besser ist? Bist du so sicher, daß sie je besser wird?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Man kann die Worte so oder so wählen. In meiner Muttersprache sagt mein häufiger falls als rein zeitlich wenn, aber jedesmal, wenn ich einen englischen Satz sage, muß ich die Wahl treffen. Ich nehme lieber die positivere Ausdrucksweise, damit meine eigenen Worte mich nicht niederdrücken wie Steine. Klingt das sinnvoll?«
    »Ich glaube ja.«
    »Renie!« Jeremiah hörte sich aufgeregt an. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um das Licht über einem der Fahrstühle aufblinken zu sehen. Unmittelbar darauf ging die Tür auf.
     
    Ich komme mir vor wie dieser Forscher, dachte Renie, als der Fahrstuhl geräuschlos im nächstunteren Stockwerk anhielt, der einst das verschollene Pharaonengrab entdeckte. Ihr nächster Gedanke, die beunruhigende Erinnerung an einen Fluch, der den Entdecker angeblich getötet hatte, wurde vom Zischen der sich öffnenden Tür unterbrochen, aber nicht vertrieben.
    Es war lediglich eine Büroetage, aus der die ganze Einrichtung hinausgeschafft worden war bis auf einen großen Konferenztisch und ein paar wuchtige Aktenschränke mit aufgezogenen Schubladen, ohne Akten. Renie verließ der Mut. Der gefledderte Zustand verhieß nichts Gutes. Sie und die anderen spazierten durch sämtliche Zimmer auf der Etage, um sich zu vergewissern, daß sich nirgends etwas Brauchbareres befand, und bestiegen dann wieder den Fahrstuhl.
    Drei weitere Etagen

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