Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Schach, aber mehrere andere waren entkommen und liefen zur Tür, zweifellos um die Wache zu alarmieren. Paul streckte die Frau auf der Bank aus, zog ihr die Arme über dem Kopf lang, zielte sorgfältig und schlug mit dem Saldschak so fest zu, wie er konnte, so daß die Kettenglieder nur so durch die Luft flogen. Er hob sie vorsichtig hoch, damit er ihre zarten Flügel nicht zerdrückte, und nahm sie über die Schulter.
    »Ich hab sie!«
    »Dann dalli, Mann, dalli!«
    Paul taumelte ein wenig bei seinem Rückweg um den Teich herum. Sie wog nicht viel – tatsächlich war sie überraschend leicht –, aber ihn verließen langsam die Kräfte, und der Saldschak war schwer. Nach kurzem Bedenken ließ er ihn fallen, damit er beide Arme um seine kostbare Last schlingen konnte.
    Er und Brummond trafen auf der anderen Seite des Teiches zusammen und stürmten durch die Tür. Sie waren nur wenige Schritte weit gekommen, als ihnen ein anderer Priester den Weg vertrat, diesmal einer im schwarzen Gewand; seine goldene Maske war eine konturlose Scheibe mit Augenlöchern. Der Priester erhob seinen Stab, und die Luft schien sich zu verdichten. Gleich darauf erschien vor ihnen ein riesiges spinnenartiges Ungeheuer, das den Korridor völlig blockierte. Paul trat entsetzt einen Schritt zurück.
    »Weiterlaufen!« schrie Brummond. Paul sah ihn mit fassungsloser Verzweiflung an. »Weiterlaufen, hab ich gesagt! Es ist nicht wirklich!« Als Paul sich immer noch nicht rührte, schüttelte Brummond verärgert den Kopf und sprang vor. Das Spinnenungetüm warf sich auf ihn und schien ihn mit seinen knackenden Kiefern zu fassen. Im nächsten Moment verschwand es wie ein vom Sonnenlicht vertriebener Schatten. Wo es gehockt hatte, stand jetzt Brummond über der auf dem Rücken liegenden Gestalt des schwarzgewandeten Priesters, den er soeben mit dem Knauf seines Kavalleriesäbels niedergeschlagen hatte.
    »Wo wir rein sind, kommen wir nie mehr durch«, schrie Brummond, »aber ich glaube, es gibt irgendwo eine Tür zum Dach.«
    Völlig erledigt, aber entschlossen, die Vonarierin in Sicherheit zu bringen, humpelte Paul hinter dem Abenteurer her, der ihn durch die kreuz und quer laufenden Gänge des Tempelbezirks lotste. Brummond schnappte sich eine Fackel von der Wand, und gleich darauf hatten sie die beleuchteten Hauptflure hinter sich gelassen. Fast wider Willen war Paul von der Sicherheit beeindruckt, mit der Brummond sich in dem dunklen und verwirrenden Labyrinth zurechtfand. Die Flucht dauerte nur Minuten, wirkte aber viel länger: Paul überkam abermals das Gefühl, den Traum eines anderen zu durchleben. Nur die spürbare Wärme und Schwere der Frau auf seiner Schulter verankerte ihn in der Wirklichkeit.
    Schließlich hatte Brummond den Treppenaufgang gefunden. Paul schwankte auf dem Weg zum Dach hinauf und stand auf einmal wieder frei unter den beiden Monden, was er schon nicht mehr für möglich gehalten hatte.
    »Natürlich, verfluchtes Pech, wartet Bags über dem Garten«, sagte Brummond. »Und wenn ich keine Gespenster höre, dann hat uns die Garde jeden Moment eingeholt.« Auch Paul hörte die Geräusche von Soldaten, die wütend die Treppe hinaufgeschwärmt kamen. Brummond nahm seine Fackel und schleuderte sie mit aller Kraft hoch in die Luft. Sie beschrieb einen Bogen und zog im Fallen die flackernde Flamme hinter sich her wie den Schweif einer Sternschnuppe.
    »Wir können nur beten, daß Bags die Augen offenhält. Jetzt legen Sie sie lieber hin und stemmen sich mit mir gegen die Tür.«
    Paul legte die geflügelte Frau behutsam auf die Dachterrasse – sie murmelte etwas, aber wachte nicht auf – und unterstützte dann Brummond mit seinen schwindenden Kräften. An der Tür wurde bereits geschrien und geschoben. Einmal wurde sie beinahe aufgedrückt, aber Paul und Brummond standen eisern und schoben sie langsam wieder zurück.
    »Hurley!« Die Stimme kam von oben. »Bist du das, Mensch?«
    »Bags!« rief Brummond freudig. »Guter alter Bags! Wirf uns die Leiter runter! Es wird grade ein bißchen ungemütlich hier unten.«
    »Ist schon da! Mitten über dem Dach!«
    »Laufen Sie los, und schleppen Sie Ihre Herzensdame hoch, so rasch Sie können. Ich halte derweil die Tür.« Brummond sprach so ruhig, als ob er im Ares Club einen Portwein bestellte. »Vielleicht kann Bags Ihnen zur Hand gehen.«
    Paul eilte zu der Vonarierin zurück und trug sie zur Leiter, dann quälte er sich Sprosse für Sprosse langsam nach oben, wobei er alle Mühe

Weitere Kostenlose Bücher