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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weiß ich … eine ganz schlimme Migräne war oder sowas?«
    Fredericks ließ einen Laut zorniger Entrüstung hören. »Du hast ja keinen blassen Dunst. Und es ist nochmal passiert. Menschenskind, hast du mich nicht schreien gehört? Sie müssen mich in ein Krankenhaus gebracht haben oder so, denn als sie sie das nächste Mal rauszogen, haben diese ganzen Leute drumrumgestanden. Ich konnte kaum gucken, so weh hat das getan. Aber der Schmerz war noch schlimmer als vorher – ich denke, die Ärzte haben mir ’ne Spritze verpaßt, und danach kann ich mich an nicht mehr viel erinnern, aber jedenfalls bin ich wieder hier. Es ist ihnen wohl nichts anderes übrig geblieben, als mich wieder einzustöpseln.« Fredericks beugte sich vor und faßte Orlandos Arm; seine Stimme war heiser vor Verzweiflung. »Und jetzt erzähl mir, du Jäger der goldenen Stadt: Was für ’ne Simulation verhält sich so, zum Teufel? In was hast du uns da reingeritten, Gardiner?«
     
    Die Tag- und Nachtstunden, die sich daran anschlossen, waren die längsten, die Orlando je durchlebt hatte. Das Fieber kehrte in voller Stärke zurück. Er wälzte sich ruhelos unter einem Dach herum, das Fredericks aus Palmwedeln gebaut hatte, und wurde abwechselnd von Kälte und Hitze gepeinigt.
    Sein Unterbewußtes mußte wohl Fredericks’ Geschichte darüber ausagieren, wie er herausgeholt und notgedrungen wieder zurückgeschickt worden war, denn irgendwann hörte er seine Mutter auf sich einreden, ganz deutlich. Sie erzählte ihm etwas über einen Vorfall, der sich auf dem Sicherheitsgelände – in der »Community«, wie sie sagte – ereignete hatte, und was die Nachbarn darüber dachten. Er merkte, daß sie in der ganz bestimmten Art vor sich hinplapperte, wie sie es immer machte, wenn sie furchtbare Angst hatte, und einen Moment lang überlegte er, ob das überhaupt ein Traum war. Er konnte sie tatsächlich sehen, ganz schwach, als ob sie hinter einem Gazevorhang stände, und ihr Gesicht hing so dicht über ihm, daß es ganz verzerrt war. Er hatte sie zweifellos oft genug so gesehen, um diesen Anblick in einen Traum einbauen zu können.
    Sie sagte etwas darüber, was sie machen würden, wenn es ihm wieder besser ginge. Die Verzweiflung in ihrem Ton, die Skepsis hinter den Worten überzeugten ihn, daß er die Szene, ob Traum oder nicht, als Wirklichkeit nehmen sollte. Er versuchte krampfhaft zu sprechen, die ungeheure Distanz zwischen sich und ihr zu überbrücken. Aber was es auch war, Halluzination oder unbegreifliche Trennung, es würgte ihn dermaßen, daß seine Kehle ihm kaum mehr gehorchen wollte. Wie konnte er sich verständlich machen? Und was konnte sie tun?
    Beezle, versuchte er ihr zu sagen. Hol Beezle. Hol Beezle.
    Sie verschwand daraufhin vor seinen Augen, und ob es nun nur ein Phantasma seines Fieberschlafes oder tatsächlich ein kurzer Kontakt mit seinem wirklichen Leben gewesen war, es war vorbei.
    »Du träumst von diesem dämlichen Insektenvieh«, knurrte Fredericks mit schlafschwerer Stimme.
    Insekt. Von einem Insekt träumen. Beim Zurücksinken in das dunkle Wasser seiner Krankheit erinnerte er sich, daß er einmal eine Geschichte gelesen hatte, in der ein Schmetterling träumte, ein Kaiser zu sein, und sich dabei fragte, ob er ein Kaiser wäre, der träumte, ein Schmetterling zu sein … so ungefähr.
    Was also ist wirklich? ging es ihm träge durch den Kopf. Welche Seite ist die richtige? Ein elender, verkümmerter, todkranker Junge in einem Krankenhausbett … oder ein … ein erfundener Barbar, der nach einer imaginären Stadt sucht? Oder wenn nun ganz jemand anders… beide träumt?
     
     
    > Alle Kinder in der Schule redeten über das Haus, das abgebrannt war. Christabel wurde ganz mulmig davon. Ophelia Weiner erzählte ihr, ein Haufen Leute sei dabei umgekommen, woraufhin ihr so schlecht wurde, daß sie nichts zu Mittag essen konnte. Ihre Lehrerin schickte sie nach Hause.
    »Kein Wunder, daß du dich elend fühlst, Liebes«, sagte ihre Mutter, eine Hand auf Christabels Stirn, um die Temperatur zu fühlen. »Erst die ganze Nacht deswegen auf und sich dann auch noch die ganzen Geschichten anhören müssen, die die Kinder von sterbenden Leuten erzählen.« Sie drehte sich zu Christabels Vater um, der auf dem Weg in sein Arbeitszimmer war. »Sie ist so ein sensibles Kind, wirklich.«
    Papi knurrte bloß.
    »Es ist niemand umgekommen, Liebes«, versicherte ihre Mutter. »Nur ein Haus ist abgebrannt, und ich glaube nicht, daß jemand

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