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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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unter dem Bett hervor. Jetzt, wo sie wußte, daß mit Herrn Sellars alles in Ordnung war, war sie auf einmal sehr müde.
    Sie wollte sich gerade wieder unter die Decken kuscheln, als sie das Gesicht durchs Fenster gucken sah.
     
    »Es war ein Gesicht, Mami! Ich hab’s gesehen! Genau da!«
    Ihre Mutter zog sie fest an sich und rubbelte ihr den Kopf. Mami roch nach Gesichtslotion, wie immer zur Nacht. »Wahrscheinlich hast du nur schlecht geträumt, Kleines. Dein Papi hat nachgeschaut, und draußen ist niemand.«
    Christabel schüttelte den Kopf und vergrub ihr Gesicht an der Brust ihrer Mutter. Obwohl die Vorhänge zugezogen waren, wollte sie das Fenster nicht noch einmal angucken.
    »Vielleicht kommst du lieber mit rüber und schläfst bei uns.« Christabels Mutter seufzte. »Armes kleines Ding – dieser Brand gestern nacht ist dir wirklich in die Glieder gefahren, was? Na, hab keine Angst, mein Schatz. Es hat nichts mit dir zu tun, und jetzt ist alles vorbei.«
     
     
    > Die Handwerker wollten sich Notizen für die Aufräumarbeiten machen.
    Dread war leicht genervt, da er sich noch um ein paar letzte Details kümmern mußte und der Zeitpunkt für die zwangsweise Ausquartierung aus dem Beobachtungszentrum nicht der günstigste war, aber er mußte ihre Gründlichkeit gutheißen. Er nahm sich eine kleine Zigarre aus dem Feuchthaltebehälter und trat auf den Balkon im obersten Stock mit dem Blick auf die Bucht.
    Das Handwerkerteam von Beinha e Beinha hatte bereits sein Büro in der Stadt demontiert. Jetzt, wo das Projekt in die Endphase getreten war, gab es dafür keinen Bedarf mehr, und wenn die Operation erst einmal abgeschlossen war, blieb keine Zeit mehr, zurückzufahren und Spuren zu beseitigen, deshalb hatte der Trupp es völlig leergeräumt und obendrein von allen Flächen die oberste Schicht mit dem Sandstrahler heruntergeholt, alles frisch gestrichen und die Teppichböden ausgetauscht. Jetzt inspizierten dieselben Männer und Frauen eifrig das Strandhaus, das als Beobachtungszentrum diente. Wenn Dread und sein Team erst einmal auf dem Wasser waren und auf das Objekt zusteuerten, würde die Aufräumcrew wie ein Haufen weißgekleideter Aaskäfer das zweigeschossige Haus in Stücke zerlegen und sämtliche Hinweise darauf vernichten, wer es in den letzten drei Tagen bewohnt hatte.
    Es machte ihm im Grunde gar nichts aus, in einer schönen Tropennacht auf den Balkon hinaus zu müssen, entschied er. Er hatte sich seit der Stewardeß keinen Augenblick Erholung mehr gegönnt, und er hatte sehr, sehr hart gearbeitet.
    Trotzdem fiel es ihm schwer, innerlich abzuschalten, wo er das Objekt buchstäblich vor Augen hatte. Die Lichter der Isla del Santuario waren jenseits der schwarzen Wasserfläche gerade eben noch zu erkennen, aber von den diversen Sicherheitsvorkehrungen der Insel – den ferngesteuerten U-Booten, den Minisatelliten und den von bewaffneten Wachmannschaften geschützten Bunkern – war überhaupt nichts zu erkennen, und doch mußten sie samt und sonders ausgeschaltet werden. Trotzdem, größere Fehlkalkulationen einmal ausgeschlossen, wie sie Dread noch nie unterlaufen waren …
    Selbstsicher, großspurig, faul, tot, erinnerte er sich.
    … Fehlkalkulationen oder grob fahrlässige Aufklärungsversäumnisse ausgeschlossen, waren alle bekannt und war für alle Vorsorge getroffen. Er wartete nur noch die Lösung einiger kleinerer offener Probleme und sodann das Eintreffen des übrigen Teams ab, das in vier Stunden erfolgen sollte. Dread hatte die Leute bewußt nicht eher herbeordert. Hier am Ort des Geschehens gab es nichts, was sich nicht in der Simulation lernen und meistern ließe, und es empfahl sich nicht, irgend etwas zu tun, was die Aufmerksamkeit des Objekts erregen konnte. Die Aufräumcrew war die einzige Gruppe, die keine Vorbereitungen in der VR traf, aber ihr Lieferwagen mit dem Namenszug eines stadtbekannten Teppichhändlers parkte groß und breit in der Einfahrt, und natürlich hatten die Beinhas dafür gesorgt, daß jemand in ihren Diensten die ganze Woche über sämtliche Anrufe in dem Teppichgeschäft entgegennahm, für den Fall, daß jemand auf der Insel den Lieferwagen erspähte und es mit seinen Pflichten allzu genau nahm.
    Mit der stillen Vorfreude eines echten Hausbesitzers, der die Aussicht auf einen schönen neuen Fußbodenbelag genießt, drehte Dread seine innere Musik auf, lehnte sich in einem breitgestreiften Liegestuhl zurück, zündete sich seine Zigarre an und legte seine

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