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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nur noch schlechter. Die goldüberzogene Stadt kippte plötzlich ab, und Orlando versuchte, sie im Blick zu behalten, aber statt dessen flog ihm der Sand entgegen und knallte gegen ihn, als ob er eine einzige feste Platte wäre.
    Irgendwas im Dunkeln hat mich berührt …
    Die Welt drehte und drehte sich. Er schloß die Augen und trat weg.
     
    Pithlit der Dieb schüttelte ihn. Orlandos Kopf fühlte sich an wie eine faulige Melone; bei jedem Wackeln drohte er zu zerplatzen.
    »Orlando?« Fredericks schien keine Vorstellung davon zu haben, wie sehr seine Stimme Orlando in den Knochen weh tat. »Bist du okay?«
    »… Krank. Laß das Schütteln …«
    Fredericks hörte auf. Orlando wälzte sich auf die Seite und schlang die Arme um sich. Er fühlte die helle Sonne auf seiner Haut brennen, aber das war wie ein Wetterbericht aus einem anderen Landesteil; tief in seinem Innern herrschte jetzt eine eisige Kälte, die jeder Sonne, ob real oder simuliert, widerstand. Die ersten Zitteranfälle setzten ein.
    »Du zitterst«, stellte Fredericks fest. Orlando biß die Zähne zusammen, hatte nicht einmal mehr die Kraft für eine sarkastische Bemerkung. »Ist dir etwa kalt? Aber es ist ganz heiß! Ach, klar, das spielt keine Rolle. Tut mir leid, Mann. Wir müssen dich irgendwie zudecken – du hast nichts anderes an als diesen Lendenschurz.« Fredericks schaute sich suchend auf dem leeren tropischen Strand um, als ob jemand umsichtigerweise eine Daunendecke hinter einen der Lavafelsen gelegt haben könnte. Er drehte sich wieder zu Orlando um, denn plötzlich war ihm etwas anderes eingefallen. »Warum bist du in deinem Thargorsim? Wann hast du den denn angelegt?«
    Orlando konnte nur ächzen.
    Fredericks kniete sich neben ihn. Seine Augen waren immer noch weit und seine Pupillen starr wie bei einem Versuchstier, das eine Überdosis eines starken Mittels verpaßt bekommen hat, aber langsam setzte das logische Denken wieder ein. »Hier, du kannst meinen Umhang haben.« Er knüpfte ihn auf und legte ihn Orlando um die Schultern. Darunter hatte er die übliche Tracht seiner Figur an, graues Hemd und graue Kniehose. »He, sag mal, das ist ja Pithlits Umhang! Bin ich Pithlit, so wie du Thargor bist?«
    Orlando nickte schwach.
    »Aber ich hab doch … das ist scännig!« Fredericks stockte. »Fühl mal. Fühlt sich echt an. Orlando, wo sind wir? Was ist passiert? Sind wir hier irgendwo im Netz?«
    »Niemand … im Netz … hat so eine Technik.« Er versuchte, das Klappern seiner Zähne zu verhindern; von dem Aufeinanderschlagen tat sein Kopf noch mehr weh. »Wir sind … Ich weiß nicht, wo wir sind.«
    »Aber da ist die Stadt, wie du sie mir geschildert hast.« Fredericks hatte den Blick eines übersättigten Kindes, das unerwartet dem richtigen Weihnachtsmann begegnet. »Das ist doch die Stadt, die du gemeint hast, oder?« Er lachte ein wenig schrill. »Na klar ist sie das. Was sollte es sonst sein? Aber wo sind wir?«
    Orlando fiel es schwer, mit Fredericks’ überdrehtem Geplapper mitzukommen. Er wickelte den Umhang fester um sich und legte sich zurück, um den nächsten Schüttelfrostanfall über sich ergehen zu lassen. »Ich glaube … ich muß ein paar Minuten … schlafen …«
    Die Schwärze griff wieder zu und umnachtete ihn.
    Orlando trieb durch Fieberträume von steinernen Gruften und einem singenden Onkel Jingle und seiner Mutter, die die Flure in ihrem Haus nach etwas absuchte, das sie verloren hatte. Einmal kam er an die Oberfläche und fühlte, wie Fredericks seine Hand hielt.
    »… denke, es ist eine Insel«, sagte sein Freund gerade. »Ein Tempel oder sowas aus Steinen steht da, aber ich glaube nicht, daß er noch benutzt wird, und das ist so ziemlich alles. Ich bin nicht ganz bis zur andern Seite gekommen, weil da ein wahnsinnig dichter Wald kommt, ein richtiger Dschungel, aber wenn ich mir die Biegungen der Strände anschaue…«
    Orlando ging wieder unter.
    Während er in den unruhigen Strömungen seiner Krankheit schaukelte, haschte er nach den wenigen vorbeischwimmenden Gedanken, die Teil der Wirklichkeit zu sein schienen. Die Affenkinder hatten ihn zu jemandem bringen wollen … zu einem Tier? … einem mit Tiernamen? … der etwas über die goldene Stadt wußte. Aber statt dessen waren sie alle von etwas gepackt worden, das ihn fast zu Tode geschüttelt hätte, so wie ein Hund eine Ratte packt und erledigt, oder wie ein Krebs …
    Ein Krebs. Irgendwas mit einem Krebs.
    Und jetzt war er ganz woanders, und die

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