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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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blankes Gesicht warf Wabbelsack einen langen, schweigenden Blick zu, dann rotierte es wieder zu Paul herum. »Weg. Geflohen – aber nicht weit, nicht lange. Willst du sie wiedersehen? Das läßt sich machen.«
    Paul schüttelte den Kopf. Er wußte, daß solchen Versprechungen nicht zu trauen war. »Laßt einfach den Jungen los.«
    »Erst wenn du uns gibst, was du in der Hand hast.« Wabbelsack versetzte Gally wieder in qualvolle Zuckungen. Entsetzt hielt Paul ihm die Harfe hin. Beide Gesichter, Chrom und Kerzenwachs, glotzten sie gierig an.
    Die Halle bebte. Einen Moment lang dachte Paul, die gewaltige Maschinerie hätte einen Defekt bekommen. Doch als die Wände selbst in Fetzen zu gehen schienen, überkam ihn plötzlich eine größere Furcht.
    Der Alte Mann…?
    Aber Nickelblech und Wabbelsack sahen ebenfalls mit offenen Mäulern zu, wie selbst die geometrischen Ebenen ringsherum verrutschten. Paul stand immer noch mit seiner ausgestreckten Hand da, und Nickelblech machte unversehens einen unmöglich langen Schritt auf ihn zu und grapschte mit seiner blitzenden Klaue nach der Harfe. Gally, der zu Boden gesunken war, schlang seine Arme um Nickelblechs blanke Beine, und die Kreatur stolperte und fiel mit lautem metallischen Dröhnen hin.
    Die Halle und Paul und alles bebte erneut, zerfiel und stürzte in sich zusammen.
     
    Er hing ein weiteres Mal starr über dem Himmel im Raum, sah wieder den Großen Kanal und die rote Wüste über seinem Kopf ausgespannt – aber wo Gally gewesen war, war die Luft neben ihm jetzt leer. Die Hand, deren ausgestreckte Finger Gally berührt hatten, war jetzt zur Faust geschlossen.
    Noch während er ganz perplex den abrupten Übergang von dem Maschinensaal des Riesen zurück in diese vollkommene Stasis zu begreifen versuchte, erwachte die Welt zum Leben. Farben gerieten in Fluß. Festkörper wurden Luft, und Luft wurde Wasser, das Paul mit einem großen, kalten Schlürfen verschlang.
     
    Er strampelte aus Leibeskräften. Seine Lungen waren zum Platzen voll, aber fingen schon an zu schmerzen. Die nasse Schwärze ringsherum war kühl und schwer. Er wußte nicht, wo oben und unten war. Er sah einen trüben Schein, ein Gelb, das Sonnenlicht sein konnte, und schwamm mit Schlängelbewegungen wie ein Aal darauf zu. Einen Moment lang umgab ihn das Licht, dann war er wieder im Finstern, aber diesmal war die Kälte mörderisch. Er erblickte abermals Licht, ein kühleres Blau, und arbeitete sich dahin empor. Beim Aufsteigen sah er die schlanken Spitzen dunkler Bäume und einen grauen, bewölkten Himmel. Da stieß seine Hand irgendwo an und prallte zurück. Heftig tretend drängte er sein Gesicht dem Licht entgegen und krallte mit den Fingern, aber etwas Festes lag zwischen ihm und der Luft und hielt ihn im kalten Wasser gefangen.
    Eis! Er schlug mit den Fäusten dagegen, aber es bekam nicht einmal einen Sprung. Seine Lungen waren voll brennender Kohlen, sein Kopf voll erdrückender Schatten.
    Ertrinken. Irgendwo, irgendwie, ohne je zu wissen warum.
    Das Wissen wird mit mir sterben. Das Wissen vom Gral. Der sinnlose Gedanke huschte durch sein sich immer mehr verdunkelndes Bewußtsein wie ein glänzender Fisch.
    Das Wasser saugte ihm alle Wärme aus dem Leib. Er spürte seine Beine nicht mehr. Er preßte sein Gesicht gegen das Eis und betete um eine Lufttasche, aber ein winziger Atemversuch bescherte ihm nur noch mehr nasse Kälte. Es war zwecklos, noch länger zu kämpfen. Er öffnete den Mund, um das Wasser zu schlucken, das seine Qual beenden würde, und versuchte vorher noch ein letztes Mal, das Stück Himmel über ihm ins Auge zu fassen. Etwas Dunkles legte sich über das Loch, und im selben Moment krachten das Eis und der Himmel und die Wolken auf ihn nieder, so daß er zurückprallte und erschrocken den verbrauchten Atem aus seinem ringenden Körper entließ. Er schnappte unwillkürlich nach frischer Luft, und Wasser schoß in ihn ein, füllte ihn, erstickte ihn, löschte ihn aus.
     
     
    > Ein Vorhang zitterte, eine flackernde rote und gelbe Trennwand. Er versuchte, sie deutlich in den Blick zu bekommen, aber es ging nicht. Wie angestrengt er auch starrte, sie wurde nicht schärfer, sondern blieb weich und konturlos. Er schloß die Augen und erholte sich einen Moment, dann schlug er sie auf und versuchte es noch einmal.
    Er spürte eine Berührung, aber es war ein merkwürdig distanziertes Gefühl, als ob sein Körper unerhört lang wäre und die Verrichtungen an einem sehr weit

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