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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Gestalten bewegte sich ein wenig: eine Nachtbrille blitzte. »Bereit, Jefe.«
    »Spur drei.«
    … Ein Geräteaufbau vor der abblätternden Wand einer gemieteten Wohnung, jede Box mit der widerlichen stumpfschwarzen Oberfläche, die bei trendigen Hardwareheads zur Zeit wieder in war. Sonst nichts.
    Was zum Teufel…?
    Es dauerte mehrere Sekunden, bis ein kahlrasierter Kopf auftauchte und Celestinos Stimme in Dreads Schädelknochen vibrierte. »Ich habe eben noch eine allerletzte Korrektur gemacht, Jefe. Ich bin jetzt bereit.«
    Wohl eher einen allerletzten Schlottergang zum Lokus. Dread rief auf einer geschützten Nebenleitung das Zimmer neben dem Gearlabor an. Ein Frauengesicht, rund und blaß unter flammend roten Haaren, erschien.
    »Dulcy, was ist los? Wird er’s hinkriegen?«
    »Er ist ein Schwachkopf, aber kompetent, wenn du verstehst, was ich meine. Ich bin hier. Du kannst ruhig loslegen.«
    Er war froh, daß er sie hinzugezogen hatte. Dulcinea Anwin war teuer, aber nicht ohne Grund. Sie war clever und tüchtig und hätte mitten durch die Schlacht von Waterloo spazieren können, ohne mit der Wimper zu zucken. Eine Sekunde lang ging es ihm durch den Kopf, wie sie sich wohl als Opfer machen würde. Ein interessanter Gedanke.
    »Spur vier.«
    Der Beobachtungsbalkon, auf dem er selbst noch vor wenigen Stunden gestanden hatte, erschien vor seinen geschlossenen Lidern. Anders als Celestino wartete der Mann dort auf den Anruf. »Bereit zum Einhaken.«
    Dread nickte, obwohl weder die Köpfe in den Datenfenstern noch das Dutzend anderer Männer bei ihm am dunklen Strand sein Gesicht sehen konnten. Er öffnete die Augen und rief den Lageplan auf, der die wirkliche Isla del Santuario nur wenige Kilometer vor ihm mit seinen Neonlinien überlagerte. Perfekt. Alles, wo es hingehörte.
    Achtung, Aufnahme!
    Er stellte das Exsultate lauter, und einen Moment lang war er in der karibischen Nacht allein mit dem Mond, dem Wasser und der silberhellen Stimme des Soprans.
    »Spur vier – Haken rein.«
    Der Mann im Strandhaus gab einen Sicherheitscode ein und sprach dann ein Wort in sein Kehlkopfmikro. Auf dieses Signal hin injizierte Dreads Kontaktmann bei ENT-Inravisión das Programm, was er geliefert bekommen hatte, in das Telecomnetz von Cartagena, eine einfache, wenn auch kriminelle Handlung, für die der Angestellte SKr 15.000 auf ein Auslandskonto bekommen würde.
    Der Code stellte die Verbindung zu einem unauffälligen Parasiten im Haussystem der Isla del Santuario her, den eine unzufriedene Mitarbeiterin des vorigen Sicherheitsunternehmens in ihrer letzten Dienstnacht für stolze SKr 40.000 dort gepflanzt hatte. Zusammen stellten die beiden im Informationssystem der Insel einen vorübergehenden Datenzapfer her. Entweder das System selbst oder menschliche Wachsamkeit mußten den Zapfer eigentlich binnen zehn Minuten ausfindig machen, aber länger würde Dread auch nicht brauchen.
    »Hier ist vier. Haken ist drin.«
    Der Mozart berauschte ihn. Freude durchströmte ihn wie kühles Feuer, aber er ließ sich seine Hochstimmung nicht anmerken.
    »Gut. Spur drei, anfangen rauszuziehen.«
    Celestino nickte eifrig mit dem Kopf. »Mit Vergnügen, Jefe.« Der Gearspezialist schloß die Augen und tanzte mit seinen Fingern komplizierte Figuren, um die Ein-/Ausgabeverbindungen herzustellen.
    Dread bezähmte seine Stimme. »Ich will die Kanäle sehen, sobald du sie hast.« Er entwickelte langsam einen geradezu irrationalen Haß auf diesen tuntigen Schwachkopf mit seiner militärischen Vergangenheit. Das war fast so schlecht wie zu großes Vertrauen.
    Er schloß wieder die Augen und sah zu, wie die Sekunden auf der Zeitanzeige vertickten. Während Celestino sein unsichtbares Datenorchester dirigierte, womit er für Dreads zynisches Auge nur die Erhabenheit des Exsultate profanierte, waren die anderen Fenster statisch und warteten auf seine Befehle. Er genoß das Gefühl. Zu den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie sich über ihre Arbeit unterhielten, bezeichneten einige der anderen auf seinem äußerst kleinen Fachgebiet das, was sie taten, als »Kunst«. Dread hielt das für überheblichen Blödsinn. Es war einfach Arbeit, wenn auch zu Zeiten wie jetzt aufregende, befriedigende, anspruchsvolle Arbeit. Aber etwas derart Geordnetes und Vorgeplantes konnte man nicht als Kunst bezeichnen.
    Die Jagd dagegen – das war Kunst. Es war eine Kunst des richtigen Augenblicks, eine Kunst der ergriffenen Gelegenheit, eine Kunst des Muts und des

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