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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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waren, und legte den Haufen mit einer gewissen ängstlichen Sorgfalt auf die Seite. Dabei klickte etwas gegen den Stein und rollte glitzernd heraus. Paul stutzte, dann hob er es auf, drehte es in seiner Hand hin und her und beobachtete, wie die goldenen Facetten im Feuerschein funkelten.
    »Wir sahen dich im Wasser«, sagte der Messerschneider. »Wir hielten dich für ein Tier, aber Vogelfänger sah, daß du kein Tier warst. Wir zogen dich aus dem Wasser.«
    Paul umschloß mit den Fingern das juwelartige Ding. Es wurde warm, und auf einmal erfüllte eine sanfte Stimme die Höhle, so daß er zusammenfuhr.
    »Wenn du das gefunden hast, bist du entkommen«, sagte sie. Paul schaute sich um, weil er dachte, seine Retter müßten zu Tode erschrocken sein, aber sie betrachteten ihn nach wie vor mit der gleichen leicht besorgten Zurückhaltung. Nach einer Weile wurde ihm klar, daß sie die Stimme nicht hörten, daß sie zu ihm allein sprach. »Wisse«, sagte sie, »daß du ein Gefangener warst. Du befindest dich nicht in der Welt, in der du geboren wurdest. Nichts um dich herum ist wahr, und dennoch kann das, was du siehst, dich verletzen oder töten. Du bist frei, aber man wird dich verfolgen, und ich kann dir nur in deinen Träumen helfen. Du darfst dich nicht fangen lassen, bis du die anderen findest, die ich dir schicke. Sie werden auf dem Fluß nach dir suchen. Sie werden dich erkennen, wenn du ihnen sagst, daß die goldene Harfe zu dir gesprochen hat.«
    Die Stimme verstummte. Als Paul seine Hand aufmachte, war das glänzende Ding verschwunden.
    »Bist du ein Flußgeist?« fragte der Messerschneider. »Vogelfänger hält dich für einen Ertrunkenen, der aus dem Land der Toten zurückgekehrt ist.«
    »Aus dem Land der Toten?« Paul ließ den Kopf auf die Brust sinken. Er fühlte die Last der Erschöpfung, schwer wie der steinerne Berg über ihnen. Sein jähes Auflachen klang überschnappend, und die Männer scheuten brummend und raunend zurück. Wieder verschleierten Tränen ihm den Blick. »Land der Toten. Das trifft es so ziemlich.«

Kapitel
Johnnys Dreh
    NETFEED/SPORT:
    TMX macht olympische »Geste des guten Willens«
    (Bild: Die TMX/Olympia-Flagge weht über dem Athenäum in Bukarest)
    Off-Stimme: Telemorphix, Inc., hat nach eigenen Aussagen eine »Geste des guten Willens« gemacht, um seinen Streit mit dem Internationalen Olympischen Komitee und der Regierung der Walachischen Republik beizulegen. Statt »Telemorphix Olympische Spiele Bukarest« zu heißen, wie das Unternehmen ursprünglich gefordert hatte, wird das sportliche Ereignis nunmehr unter dem offiziellen Namen »Olympische Spiele Bukarest, gesponsert von Telemorphix« abgehalten werden.
    (Bild: TMX-PR-Chefin Natasja Sissensen)
    Sissensen: »Wir respektieren die olympische Tradition der friedlichen Einigung, und wir denken, daß wir uns die Sache einen ziemlich beachtlichen Ölzweig haben kosten lassen. Allerdings sollte das IOC nicht vergessen, daß es auf der Welt nichts umsonst gibt. Jedenfalls soweit ich weiß.«
     
     
    > Der Mond war nur ein schmaler Fingernagel über der schwarzen Bahia de Barbacoas. Mit ihren orangegelben Scheinwerfern rundherum leuchtete die Insel heller als alle Gestirne am Himmel. Dread lächelte. Sie war ein Nest voll juwelenglänzender Eier, und er war das Raubtier. Er hatte vor, diese Lichter in seinem Maul zu zermalmen und auszulöschen.
    Dread stellte das Exsultate Jubilate an, ein altes Musikstück, das wie Strom pulsierte und von freudiger Ekstase überfloß. Er bedauerte es, vorprogrammierte Musik nehmen zu müssen, aber er hatte zu viel zu tun, und wenn er heute abend seine Starrolle spielte, blieb ihm keine Zeit, seinen eigenen Soundtrack zu komponieren. Mozart würde es tun müssen.
    Er befingerte seine T-Buchse voll wölfischer Freude, die Glasfaserleine los zu sein. Er legte die Hände auf die Knie und spürte überdeutlich das robuste Neopren seines Anzugs und die winzigen Sandkörnchen an seinen Händen. Dann schloß er die Augen, damit er die wichtigen Dinge sehen konnte.
    »Spur eins, bitte melden.«
    Ein Fenster mit einem Blick auf das kabbelige Wasser von hoch oben ging in der Finsternis auf. »Listo«, erklärte der Mann auf Spur eins. »Bereit.«
    »Spur zwei.«
    … Das nächste Fenster, ausgefüllt von einem düsteren Umriß, den er nur deshalb als ein nichtreflektierendes Boot erkannte, weil er es selbst gekauft hatte. Davor eine Gruppe schattenhafter Gestalten, die bäuchlings im Sand lagen. Eine der

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