Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
wünschst, daß ich ihn töte.«
    Das vergnügte Lachen des Gottes war völlig echt. »Du junger Narr! Wenn ich wüßte, wer er ist, und dich auf ihn hetzen könnte, wäre er nicht wert, mein Gegner zu heißen. Er oder sie.« Er lachte glucksend.
    Der Schakalkopf neigte sich zur Seite wie der eines gescholtenen Hundes. »Was willst du dann von mir?«
    »Nichts – im Moment. Aber bald wirst du in vielen dunklen Gassen dein Unwesen treiben und viele Knochen in deinem großen Maul zermalmen können.«
    »Du wirkst… erfreut, Großvater.«
    Der Gott zuckte leicht, aber ließ es durchgehen. »Ja, ich bin erfreut. Es ist lange her, daß ich auf die Probe gestellt wurde, daß jemand anders als Schwächlinge sich mir widersetzten. Die bloße Tatsache, daß einer gegen mich aufbegehrt und meine Pläne stört, und seien es die geringsten, ist eine Lust. Meine größte Probe überhaupt rückt näher, und gäbe es keinen Widerstand, dann gäbe es auch keine Kunst.«
    »Aber du hast keine Ahnung, wer es ist. Vielleicht ist es jemand … innerhalb der Bruderschaft.«
    »Ich habe daran gedacht. Es ist möglich. Nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich.«
    Die grüngoldenen Augen flammten auf. »Ich könnte es für dich rausfinden.«
    Die Vorstellung, diese rohe Bestie einmal in diesem Hühnerstall loszulassen, war amüsant, aber nicht durchführbar. »Lieber nicht. Du bist nicht mein einziger Diener, und ich verfüge über subtilere Mittel, mir Informationen zu beschaffen.«
    Der Ton des Schakals wurde unwirsch. »Dann hast du mich also bloß deshalb von andern Sachen weggeholt, um mir zu sagen, daß du keine Aufgaben für mich hast?«
    Der Gott schwoll an, so daß seine Mumienbinden sich spannten und rissen, und wuchs in die Höhe, bis sein Totenmaskengesicht den Thronsaal hoch überragte. Die tausend Priester stöhnten wie Schläfer, die derselbe böse Traum quält. Der Schakal trat einen Schritt zurück.
    »Ich rufe, und du kommst.« Die Stimme dröhnte und hallte unter der bemalten Decke. »Glaube nicht, du seist unentbehrlich, Bote!«
    Heulend und sich den Kopf haltend fiel der Schakalgott auf die Knie. Das Jammern der Priester nahm zu. Nach einer ihm angemessen erscheinenden Weile erhob Osiris die Hand, und der Schmerzensschrei erstarb. Keuchend fiel Anubis bäuchlings auf den Boden. Es dauerte lange, bis er sich auf Hände und Knie hochgestemmt hatte. Sein zitternder Kopf beugte sich nieder, bis die spitzen Ohren die Stufen vor dem Thron streiften.
    Der Gott nahm wieder seine normale Größe an und musterte mit Zufriedenheit Anubis’ krummen Rücken. »Aber wie es sich fügt, habe ich doch eine Aufgabe für dich. Und sie betrifft in der Tat einen meiner Kollegen, aber es ist eine Arbeit, die weniger Feingefühl erfordert, als einen geheimen Gegner zu enttarnen. Meine Befehle gehen dir in diesem Augenblick zu.«
    »Hab Dank, o Herr.« Seine Stimme war heiser und schwer zu verstehen.
    Die Kerzen flackerten im Herzen von Abydos-Olim. Der Todesbote erhielt einen neuen Auftrag.
     
     
    > Dread riß das Glasfaserkabel aus dem Schlitz und rollte sich vom Bett auf den Boden. Die Augen vor Schmerz zusammengepreßt kroch er ins Badezimmer, tastete nach dem Rand der Wanne und erbrach den Zuchtfleischkebab, den er zu Mittag gegessen hatte. Auch als sein Magen längst alles von sich gegeben hatte, gingen die Krämpfe noch weiter. Als sie endlich aufhörten, ließ er sich keuchend gegen die Wand fallen.
    Dazu war der Alte Mann noch nie imstande gewesen. Ein schmerzhaftes Brummen hier, ein fieses Schwindelgefühl dort, aber niemals etwas in der Art. Ihm war, als hätte man ihm eine Stricknadel zum einen Ohr hineingestochen und zum anderen wieder herausgezogen.
    Er spuckte Galle in ein Handtuch, dann stemmte er sich mühsam hoch und stolperte ans Waschbecken, um sich die Verdauungssäfte von Lippen und Kinn abzuwaschen.
    Es war lange her, daß jemand ihm derart weh getan hatte. Das gab ihm zu denken. Ein Teil von ihm, der schielende Junge, der zum erstenmal mit der Staatsgewalt zu tun gehabt hatte, als er einem anderen Sechsjährigen mit einem Hammer ins Gesicht geschlagen hatte, wollte den richtigen Namen des alten Dreckskerls herausfinden, ihn in seinem RL-Schlupfwinkel aufspüren und ihn dann rasieren und ihm die Haut Streifen für Streifen abziehen. Aber ein anderer Teil, der Erwachsene, zu dem der Junge geworden war, hatte subtile Methoden gelernt. Beide Teile jedoch bewunderten die Ausübung nackter Macht. Wenn er eines Tages an

Weitere Kostenlose Bücher