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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sie recht hübsch, aber er fand auch, daß sie mit den dunklen Ringen um die Augen und ihrer unsicheren Art so aussah, als wäre sie durch die Hölle gegangen. Ihr schmächtiger, bärtiger Mann hatte nicht das genetische Plus, dessen sich seine Frau erfreute; er sah schlicht erschöpft und elend aus.
    »Ich bin Vivien Fennis«, sagte die Frau und strich sich die langen Haare aus dem Gesicht, bevor sie Frau Fredericks die Hand reichte. »Das ist mein Mann Conrad Gardiner. Wir sind euch wirklich sehr dankbar, daß ihr gekommen seid.«
    Nachdem alle, Ramsey eingeschlossen, sich die Hand gegeben hatten und die Gardiners – Vivien bestand der Kürze halber auf diesem Namen – sich gesetzt hatten, blieb Jaleel Fredericks weiter stehen. »Ich weiß immer noch nicht genau, warum wir eigentlich hier sind.« Mit einer ungeduldigen Handbewegung schnitt er seiner Frau das Wort ab, bevor sie etwas sagen konnte. »Ich weiß, daß euer Sohn und meine Tochter befreundet sind, und ich weiß, daß ihm etwas Ähnliches zugestoßen ist, euerm… Orlando. Aber was ich nicht verstehe, ist, weshalb wir hier sind. Hätten wir die Sache nicht genausogut übers Netz klären können?«
    »Darauf kommen wir gleich.« Conrad Gardiner sprach ein wenig scharf, als fühlte er sich genötigt, seinen Platz in der Hierarchie klarzumachen. Fredericks hatte diese Wirkung auf Menschen, das war Ramsey schon öfter aufgefallen. »Aber nicht hier. Das ist mit ein Grund, weshalb wir euch persönlich sehen wollten. Wir werden irgendwo hingehen.«
    »In ein Restaurant. Hier drin möchten wir nichts dazu sagen«, fügte Vivien hinzu.
    »Was soll das nun wieder heißen?« Die Gewitterwolken waren abermals in Fredericks’ Gesicht aufgezogen. »Jetzt komm ich überhaupt nicht mehr mit.«
    Ramsey, der das Stillschweigen bewahrte, das ihm im allgemeinen nützlich erschien, war neugierig, aber auch besorgt. Die Gardiners hatten in den wenigen Gesprächen, die er mit ihnen geführt hatte, durchaus vernünftig gewirkt, wild entschlossen in ihrer Absicht, mit Herrn und Frau Fredericks persönlich zu reden, aber auch ein wenig geheimnistuerisch. Er hatte sich auf seinen Instinkt verlassen und ihnen vertraut. Wenn sie jetzt mit irgendwelchen Verschwörungstheorien, einem UFO-Kult oder dem Evangelium der sozialen Harmonie ankamen, würde er es bald bereuen, daß er seine Mandanten zu einem Flug von Virginia hierher überredet hatte.
    »Ich weiß, das hört sich verrückt an«, sagte Vivien und lachte. »Wir wären euch nicht böse, wenn ihr den Eindruck hättet. Aber wartet bitte, bis wir die Gelegenheit hatten, miteinander zu reden. Wenn ihr dann immer noch der Meinung seid, werden wir euch den Flug bezahlen.«
    Herr Fredericks schnaubte wütend. »Es geht mir nicht ums Geld …«
    »Jaleel, Schätzchen«, sagte seine Frau. »Hab dich doch nicht so.«
    »Aber zunächst«, fuhr Vivien fort, als ob es die kleine Szene nicht gegeben hätte, »möchten wir, daß ihr mitkommt und Orlando seht.«
    »Aber …« Enrica Fredericks war betroffen. »Aber ist er… liegt er nicht im Koma?«
    »Wenn es denn eins ist.« Conrads Grinsen war bitter. »Wir sind …« Er brach ab und blickte starr in die Ecke, wo die Mäntel in einem Haufen auf dem einen unbenutzten Stuhl lagen. Als er zu lange starrte, wandten sich die anderen um. Ramsey konnte nichts entdecken. Gardiner rieb sich mit dem Handballen die Stirn. »Entschuldigt, ich dachte bloß …« Er atmete lang und tief aus. »Es ist eine lange Geschichte. Ich dachte, ich hätte einen Käfer gesehen. Einen ganz besonderen Käfer. Bitte fragt nicht – es würde zu lange dauern, und ich würde es lieber später erklären. Besser, ihr geht fürs erste weiter davon aus, daß wir verrückt sind.«
    Ramsey amüsierte sich. Seine Mandanten wechselten einen stillen Blick, dann lugte Frau Fredericks verstohlen in Ramseys Richtung. Er schüttelte leicht den Kopf, was Keine Sorge bedeuten sollte. Nach seiner nicht unerheblichen Erfahrung mit Geistesgestörten zeichneten sich die echten Irren in der Regel nicht dadurch aus, daß sie erklärten, ihr Tun müsse einen verrückten Eindruck machen.
    »Ihr müßt nicht mitkommen, wenn wir Orlando besuchen gehen«, sagte Vivien und erhob sich. »Aber wir würden uns freuen. Wir bleiben nur eine Minute – ich werde hinterher, wenn wir fertig sind, noch den ganzen Abend mit ihm verbringen.«
    Als sie in den Krankenhausflur hinaustraten, gesellten sich die Frauen zueinander, die Männer schlossen sich

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