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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Seine Frau lächelte und verdrehte die Augen. »Die Gardiners möchten ihren Jungen besuchen gehen.«
    Fredericks ließ sich durch die Luftschleuse in das Privatzimmer führen, wo Orlando Gardiner unter einem durchsichtigen Sauerstoffzelt lag wie ein alter Pharao in einem Museumsschaukasten.
    Enrica Fredericks schnappte nach Luft. »Oh! O mein Gott! Was …« Sie legte sich eine Hand auf den Mund, die Augen schreckensweit aufgerissen. »Wird das … auch mit Sam passieren?«
    Conrad, der sich an das Fußende von Orlandos Bett begeben hatte, schüttelte den Kopf, aber sagte nichts.
    »Orlando hat eine Krankheit«, erklärte seine Mutter. »Er hatte sie, lange bevor diese andere Sache hinzukam. Deshalb liegt er hier in der Isolierstation. Er ist auch in der besten Verfassung sehr ansteckungsgefährdet.«
    Jaleel Fredericks’ Stirnrunzeln hatte sich verändert und gab ihm jetzt das Aussehen eines Mannes, der sich ein furchtbares Unrecht aus sicherer Entfernung anschaut, einen Netfeed-Bericht über eine Hungersnot oder einen terroristischen Bombenanschlag. »Ein Problem mit dem Immunsystem?«
    »Zum Teil.« Vivien steckte ihre Hand in den Handschuh in der Zeltwand und streichelte Orlandos beinahe knochendünnen Arm. Seine Augen waren nur weiße Sichelmonde zwischen den Lidern. »Er hat Progerie. Vorzeitige Vergreisung. Irgend jemand muß sich seinerzeit beim Gentest vertan haben. Aber wir konnten es nie beweisen. Wir wußten, daß die Krankheit vor ein paar Generationen in meiner Familie aufgetreten war, aber die Wahrscheinlichkeit war so gering, daß Conrads Seite auch davon betroffen war – na ja, als die Testergebnisse negativ waren, haben wir gar nicht mehr daran gedacht.« Ihre Augen wanderten zu ihrem Sohn zurück. »Wenn ich es gewußt hätte, hätte ich abgetrieben.« Ihre Stimme wurde gepreßt. »Und ich liebe meinen Sohn. Ich hoffe, ihr versteht das. Aber wenn ich die Zeit zurückdrehen und mich noch einmal entscheiden könnte, würde ich die Schwangerschaft abbrechen.«
    Das eintretende lange Schweigen wurde von Jaleel Fredericks gebrochen, dessen tiefe Stimme jetzt sanfter klang. »Es tut uns sehr leid.«
    Orlandos Vater lachte kurz und hart auf, ein würgender Ton, der ihm ganz offenbar unwillkürlich entfuhr. »Ja, uns auch.«
    »Wir wissen, daß auch ihr schwer zu tragen habt«, sagte Vivien. »Und wir wissen, wie schwer es euch gefallen sein muß, Sam auch nur einen Tag allein zu lassen und hierherzufliegen.« Sie zog ihre Finger aus dem Handschuh und richtete sich auf. »Aber wir wollten, daß ihr vor unserem Gespräch Orlando einmal seht.«
    Frau Fredericks hatte immer noch eine Hand auf dem Mund; ihre modisch übertriebene Wimperntusche fing in den Augenwinkeln an, ein wenig zu verlaufen. »Ach, der arme Junge.«
    »Er ist großartig.« Vivien hatte Mühe weiterzusprechen. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie tapfer er es trägt. Er ist… schon immer anders gewesen als die andern. Die Leute starren ihn an, sobald er vor die Tür tritt. Und von klein auf hat er gewußt, daß seine Chancen … auch nur ins Teenageralter zu kommen …« Sie mußte aufhören. Conrad blickte sie vom Fußende des Bettes aus an, aber tat nichts, um sie zu trösten. Es war Enrica Fredericks, die zuletzt zu ihr hintrat und ihr eine Hand auf den Arm legte. Orlandos Mutter unternahm eine sichtliche Anstrengung, sich zusammenzureißen. »Er hat das alles nicht verdient, und er hat sich so wacker geschlagen, daß … daß es euch das Herz brechen würde, wenn ihr es sehen könntet. Es ist so ungerecht. Und jetzt das noch! Deshalb wollte ich … wollten wir, daß ihr Orlandos Situation versteht – wie hart das Leben mit ihm umgesprungen ist. Wenn wir erklären, warum wir uns an euch gewandt haben.«
    Catur Ramsey ermannte sich, diesmal das Schweigen zu brechen.
    »Es klingt, als wäre es an der Zeit, daß wir alle wo hingehen und reden.«
     
    »Na«, sagte Enrica Fredericks, »diese Speisekarte sieht sehr verlockend aus.« Ihre Munterkeit war so brüchig wie altes Glas. »Was kannst du empfehlen, Vivien?«
    »Wir sind hier noch nie gewesen. Wir haben das erstbeste Restaurant aus dem Branchenverzeichnis genommen. Ich hoffe, es ist erträglich.«
    In der eintretenden Stille war das Flattern der Markise über ihnen recht laut. Ramsey stellte sein Weinglas auf die Serviette, die wegzufliegen drohte, und räusperte sich. »Vielleicht sollten wir direkt in medias res springen, sozusagen.«
    »Deshalb haben wir uns auch draußen

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