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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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durchstieß er die Oberfläche und drückte Fredericks’ Kopf über Wasser. Sein Freund schnappte rasselnd nach Luft und hustete dann einen ganzen Schwall Wasser aus. Er sah auf eine Art merkwürdig aus, die sich Orlando nicht sofort erklären konnte, aber bei den Wellen, die ihnen ins Gesicht klatschten, war es auch unmöglich, genau hinzuschauen. Orlando trat auf der Stelle, damit sie nicht wieder untergingen, aber der Wasserfall donnerte immer noch nur wenige Meter entfernt herab, und seine Kraft ließ rasch nach. Ein kurzer, aber deprimierender Blick zwischen zwei Wellen zeigte ihm, daß die weißen Uferwände über der Wasserlinie glatt wie Glas zu sein schienen.
    »Kannst du schwimmen?« japste er. »Ich glaube, ich kann dich nicht mehr halten.«
    Fredericks nickte kläglich. »Wo ist das Boot?«
    Orlando schüttelte den Kopf.
    Fredericks kraulte matt auf die nächste Wand zu. Orlando tat sein Bestes, ihm zu folgen, und bedauerte es abermals, daß er niemals Schwimmunterricht gehabt hatte. In Anderland zu schwimmen war etwas völlig anderes, als wenn Thargor sich in Mittland mit mächtigen Schlägen durch einen tiefen Bergsee oder einen Burggraben pflügte. Ein Unterschied war, daß Thargor nicht so leicht ermüdete.
    Er erreichte Fredericks, der verzweifelt mit der Hand über die glatte weiße Wand wischte. »Was ist denn das?« stöhnte sein Freund. »Man kann sich nirgends festhalten.«
    Orlando blickte empor. Über ihnen stieg die steile Wand noch etliche Meter an, und darüber … »Oh, Fen-fen«, sagte Orlando, doch da klatschte ihm eine Welle ins Gesicht, und er schluckte erneut Wasser. Es war süß, kein Salzwasser, was zu dem, was er sah, paßte. »Nicht schon wieder!« jammerte er, als er Luft bekam.
    »Was?«
    Orlando zeigte nach oben. Der Wasserfall ergoß sich aus einem langen silbernen Rohr, das mit der weißen Wand verbunden war und links und rechts zwei merkwürdige, mit Zinnen versehene Kreise hatte. Wasserhahn. Warm- und Kaltwasserknopf. Sie schwammen in einem Spülbecken. Hoch über ihnen in der Luft hing leuchtend wie der Mond und anscheinend nur wenig kleiner eine riesige Glühbirne.
    »Nein!« stöhnte Fredericks. »Das dumpft doch zum Himmel!«
     
    Die schlechte Neuigkeit war, daß ihr Boot oder etwas Dunkles, das ihr Boot zu sein schien, von dem Wasserguß aus dem gigantischen Hahn über ihnen am Grund des Waschbeckens festgehalten wurde. Die gute Neuigkeit war, wie sie kurz darauf entdeckten, daß es offenbar den Abfluß verstopfte und daß das Wasser im Becken anstieg.
    »Wenn wir uns einfach über Wasser halten, steigen wir von selbst nach oben.« Fredericks schleuderte sich eine klatschnasse Strähne aus dem Gesicht und wandte sich Orlando zu. »Was ist mit dir? Wirst du’s schaffen?«
    »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich. Ich bin echt müde.« Sein Freund wirkte immer noch seltsam – irgendwie reduziert –, aber Orlando brachte nicht die Energie auf, darüber nachzudenken, was an ihm nicht stimmte.
    »Ich helf dir, wenn’s nötig ist.« Fredericks befühlte das Porzellan. »Das blafft dermaßen. Es ist, als würde man für alle Zeit im tiefen Ende des Schwimmbeckens festhängen.«
    Orlando hatte keinen Atem mehr zu verschwenden.
    Stückchen für Stückchen schob sich das Wasser die Beckenwände hinauf. Als er kurz einmal das Gefühl hatte, daß seine Beine sich ohne allzu große Schmerzen im richtigen Rhythmus bewegten, blickte Orlando auf. Wegen der steilen Beckenwände sah man kaum etwas von dem, was sich unterhalb der Decke befand, aber dennoch war eindeutig etwas merkwürdig an der Umgebung, und zwar keineswegs nur die unverhältnismäßige Größe. Die Schatten fielen eigenartig, und sowohl die Glühbirne als auch das Spülbecken wirkten auf unerklärliche Weise irreal, obwohl sie durchaus nichts Schemenhaftes oder Undeutliches hatten. Sogar das Wasser schien sich zu langsam und überhaupt nicht mit der vollkommenen Lebensechtheit zu bewegen, die es in anderen Teilen des Netzwerks besessen hatte.
    Er sah Fredericks an, und endlich wurde ihm klar, was ihn befremdete. Die Züge seines Freundes waren zwar noch dreidimensional, aber dennoch irgendwie flacher geworden, wie mit einem viel primitiveren Animationsgear gerendert, als sie es sonst im Otherlandnetzwerk erlebt hatten. Aber was hatte das zu bedeuten?
    Erst als ein Indianer – ein Comickrieger mit einem unwirklich roten Gesicht, einer Nase wie einem Würstchen und rollenden Augen – auf den Rand des Beckens geklettert

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