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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schachteln und Flaschen umringt, und obwohl er in dem Halbdunkel (die Glühbirne war gedimmt worden und leuchtete kaum mehr) die Etiketten schlecht lesen konnte, hörte er aus einigen ebenfalls laute Schnarchtöne dringen. Links von ihm führte die Vorderseite der Küchenschränke zum Spülbecken, dessen Inneres von seiner Position aus so unsichtbar war wie die Oberseite eines hohen Plateaus. Von Fredericks war dort oben nichts zu sehen, und ein Weg, wie er dort hätte hinaufklettern können, war auch nicht zu erkennen. Behältnisse der verschiedensten Art verstellten Orlando die Sicht auf die andere Seite des Tisches. Er ging los und schlich sich vorsichtig an einem eingewickelten Stück Seife Marke »Blauer Jaguar« vorbei, in dem es eher grollte als schnarchte.
    Er sah zuerst das Glimmen, ein schwaches rotes Licht, von dem die Tischkante schwarz abstach, als ginge dahinter eine Miniatursonne auf. Er brauchte eine Weile, bis er die dunkle Silhouette erkannte. War es Fredericks? Wieso stand er so dicht an der Kante?
    Orlando hatte auf einmal große Angst um Fredericks. Er eilte zu ihm. Als er an einem Glas mit »Captain Carvey’s« kohlensaurem Natron vorbeisprintete, rief eine schlaftrunkene Stimme: »Wache! Wer läuft da? Was hat’s geglast?«
    Die Haltung seines Freundes war irgendwie merkwürdig, die schlaffen Schultern, das gummiartige Hängen des Halses, aber es war Fredericks, wenigstens die derzeitige Comicversion von ihm. Als Orlando näher kam, langsam jetzt, weil er nicht so dicht an der Kante des dunklen Tisches über irgend etwas stolpern wollte, hörte er ganz schwach eine Stimme und meinte zuerst, Fredericks rede mit sich selbst. Sie war kaum zu vernehmen, ein lauter und leiser werdendes Raunen, doch schon nach wenigen Schritten wußte Orlando, daß solche Töne nicht von Sam Fredericks kommen konnten. Es war eine tiefe, rauhe Stimme, die die Zischlaute langzog wie eine Schlange.
    »Fredericks! Geh da weg!« Er trat jetzt ganz langsam näher, weil er seinen Freund nicht erschrecken wollte, aber Fredericks drehte sich nicht um. Orlando legte ihm eine Hand auf die Schulter, aber immer noch zeigte er keine Reaktion.
    »… Du wirst hier sterben, ist dir das klar?« sagte die zischende Stimme jetzt ganz deutlich, wenn auch immer noch sehr tief. »Du hättest niemals herkommen sollen. Es ist alles völlig aussichtslos, und du kannst nichts daran ändern, aber ich erzähle es dir trotzdem.« Das daraufhin ertönende Lachen war so lächerlich melodramatisch wie das Schnarchen des Häuptlings, und dennoch brachte es abermals Orlandos Herz zum Flattern.
    Fredericks stierte von der Tischplatte in das rote Glühen hinab. Sein vereinfachtes Pithlitgesicht war schlaff, seine Augen offen, aber blicklos. Scharlachrotes Licht funkelte in den Tiefen des schwarzen gußeisernen Ofens, und die zu den Luftschlitzen hinausleckenden Flammen sahen aus wie die Hände von Gefangenen zwischen Gitterstäben. Aber noch etwas anderes als die Flammen bewegte sich im Innern des Ofens.
    »He, wach auf!« Orlando packte Fredericks am Arm und zwickte ihn. Sein Freund stöhnte auf, aber glotzte weiter willenlos auf den Ofen und die tanzenden Flammen.
    »Du bist also auch da«, knisterte die Stimme aus dem Ofen. »Du willst wohl deinen Freund retten, was? Aber das wird dir nicht gelingen. Ihr werdet beide hier sterben.«
    »Wer zum Teufel bist du?« fragte Orlando scharf und versuchte dabei, Fredericks vom Rand wegzuziehen.
    »Zum Teufel, wie passend!« sagte die Stimme und lachte wieder. Plötzlich konnte Orlando die Gestalt erkennen, die von den Flammen verdeckt gewesen war, einen roten Teufel wie aus einem alten Buch oder einer Oper, mit Hörnern, Schwanz und Dreizack. Die Augen des Teufels wurden größer, und er bleckte seine Zähne zu einem breiten, irrsinnigen Grinsen. »Ihr werdet beide hier sterben!« Er tanzte im Innern des Ofens, ließ Feuerzungen aufspritzen, als stampfte er in eine Pfütze, und obwohl Orlando wußte, daß alles bloß eine Simulation war, und eine besonders alberne zudem, verhinderte das nicht den Angstblitz, der ihn durchschoß. Er packte Fredericks mit festem Griff, zerrte ihn von der Kante weg und ließ nicht eher los, als bis sie wieder zum Tipi zurückgestolpert waren.
    »Wir werden uns wiedersehen!« rief der Teufel hämisch. »Darauf könnt ihr eure Seele wetten!«
    Fredericks machte sich von ihm los, als sie den Zelteingang erreichten, und rieb sich mit geballten Fäusten die Augen. »Orlando? Was

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