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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nichts zu fürchten. Du und die andern, ihr werdet an euren Plätzen bleiben.« Er hatte eigentlich daran gedacht, ihnen allen den Nachmittag frei zu geben, während er sich mit dieser jüngsten Widersetzlichkeit des Andern befaßte, aber er wollte nicht, daß sie miteinander redeten, sich in ihren Ängsten bestärkten und Aufzeichnungen verglichen. »Ich werde selbst mit ihm reden. Stell die Verbindung her.«
    »Er hat sie abgebrochen, Sir – Herr.«
    »Das ist mir klar. Aber ich will, daß wenigstens an unserem Ende die Leitung offen ist. Drücke ich mich klar genug aus?«
    Der Priester verrichtete zitternd seine Huldigung und zog sich hastig zurück. Osiris glitt weiter, bis er sich vor der großen Tür zur Grabkammer befand. Wie von seiner Gegenwart angestellt, erglühten die in den dunklen Stein eingemeißelten Hieroglyphen. Die Türflügel schwangen auf.
    Im Innern waren die subtilen Hinweise auf eine Datendurchschaltung fort. Der schwarze Basaltsarkophag lag kalt und schwer wie ein Block Kohle da. Keine Spur der sonst üblichen aufgeladenen Luft, des Gefühls, vor der Pforte in ein nicht ganz faßbares Anderswo zu stehen. Der Gott breitete seine bandagierten Arme vor dem großen Sarg aus.
    »Mein Bruder, wirst du mit mir reden? Wirst du mir sagen, was dich quält?«
    Der Sarkophag blieb ein stummer schwarzer Felsblock.
    »Wenn du Hilfe brauchst, werde ich sie dir geben. Wenn dir etwas weh tut, kann ich es abstellen.«
    Nichts.
    »Na gut.« Der Gott schwebte näher heran. »Vielleicht darf ich dich daran erinnern, daß ich auch Schmerz verursachen kann. Willst du denn, daß wir es dir noch schwerer machen? Du mußt mit mir sprechen. Du mußt mit mir sprechen, oder ich werde dir noch größeren Kummer bereiten.«
    Es gab eine geringfügige Veränderung im Raum, eine winzige Neueinstellung der Winkel oder des Lichtes. Als Osiris sich vorbeugte, hörte er die Stimme des Priesters Seneb im Ohr.
    »Herr, er hat jetzt…«
    »Still!« Idiot. Wenn diese Positionen nicht so schwer zu besetzen wären, würde ich ihn auf der Stelle umbringen lassen. Der Gott wartete gespannt.
    Wie aus unvorstellbarer Ferne stieg ein Ton auf, ein Stimmfetzen vom Grund eines unendlich tiefen Brunnens. Zunächst hörte Osiris ihn nur als ein Säuseln, und einen Augenblick lang befürchtete er, er hätte sich geirrt und lauschte der Bewegung des Sandes in der endlosen Wüste draußen. Da erkannte er Worte.
    »… ein Engel hat mich angerührt …ein Engel… hat mich angerührt… ein Engel … hat mich… angerührt…«
    Unablässig leierte der Refrain vor sich hin, kratzig und fern wie eine Aufnahme, die auf einem Grammophon aus Felix Jongleurs Kindheit abgespielt wurde. Nur das bizarre Hüpfen in der grausam unmenschlichen Stimme ließ erkennen, daß die Worte eine Melodie haben sollten. Der Gott lauschte voll Verblüffung und Verwirrung und mehr als nur ein wenig Furcht.
    Der Andere sang.
     
     
    > In seinem Traum meinte er, es sei ein Flugzeug, eine Maschine aus einer Dokumentation über die Geschichte der Fliegerei, mit Streben und Spanndraht und Segeltuch. Es flog über ihn dahin, und jemand im Cockpit winkte, und auf die Seite des Flugzeugs war ein lächelnder Affe gemalt, und obwohl es jetzt davonflog, wurde das stotternde Geräusch des Motors immer lauter …
    Orlando schlug die Augen auf. Es war dunkel. Das Geräusch war direkt neben ihm, und einen Moment lang dachte er, der Traum wäre Wirklichkeit, Renie und !Xabbu flögen auf ihn zu und würden ihn mit zurück in die wirkliche Welt nehmen. Verschlafen blinzelnd wälzte er sich herum. Häuptling Starke Marke schnarchte, und es hörte sich tatsächlich so laut an wie ein kleines Flugzeug. Die übergroße Nase des Indianers wackelte im Luftstrom seines Atems wie ein Ballon. Seine Squaw lag zusammengerollt neben ihm und schnarchte kontrapunktische Koloraturen.
    Es ist ein Cartoon. Es war ihm immer noch nicht ganz eingegangen. Ich lebe in einem Cartoon. Da fiel ihm der Traum wieder ein.
    »Fredericks«, flüsterte er. »Wo sind Renie und !Xabbu ? Sie sind mit uns durchgekommen, aber wo sind sie?«
    Er bekam keine Antwort. Er drehte sich auf die Seite, um seinen Freund wachzurütteln, aber Fredericks war fort. Auf der anderen Seite der leeren Schlafstelle flatterte die Klappe des Tipis im Wind, den der geräuschvolle Schlummer des Häuptlings erzeugte.
    Orlando stemmte sich auf die Knie hoch und kroch mit plötzlich pochendem Herzen zum Durchgang hinaus. Draußen sah er sich von

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