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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wieder verheddert, Herr Johnson. Hör auf, Liebling, du zerreißt bloß die Schnur! Wirklich, Herr Johnson, Sie müssen kommen und meinem Sefton helfen.«
    Paul seufzte still, als seine Gedanken abermals zerstreut wurden wie das auf dem braunen Fluß tanzende Treibgut.
     
    Die Themse wurde schmaler, als sie sich Hampton Court näherten, und zum erstenmal sah Paul beinahe so etwas wie das normale englische Leben. Wie er bald herausfand, waren die Leute hier vom ursprünglichen Marsch der Dreifüße aufgescheucht worden, und wenige Monate nach der Invasion hatte sich eine Gemeinschaft der Vertriebenen gebildet. Diese Flüchtlingsdörfer kündigten sich von weitem schon durch den ungewöhnlichen Anblick von Rauch an; die Bewohner ließen kühn ihre Lagerfeuer brennen und wickelten ihre Tauschgeschäfte im Freien ab, geschützt im Umkreis von einer Meile von Wachposten mit Signalspiegeln und einigen wenigen kostbaren Gewehren. Doch Paul vermutete, daß sie Verstecke angelegt hatten, damit sie beim ersten Anzeichen von Gefahr wie an einem offenen Hang äsende Kaninchen in Deckung gehen konnten.
    Frau Pankie war hocherfreut, zu guter Letzt ein paar kleine Ansiedlungen zu Gesicht zu bekommen, und als sie bei einer anhielten, stieg sie so rasch aus dem Boot, daß es beinahe gekentert wäre.
    Ein Mann mit einem knurrenden Hund an der Leine war bereit, ihnen für Nachrichten aus dem Osten einen Brotkanten zu geben. Als Paul ihm erzählt hatte, was er nur Tage zuvor mitten in London gesehen hatte, schüttelte der Mann traurig den Kopf. »Unser Pfarrer in Chiswick hat gesagt, die Stadt würd wegen ihrer Gottlosigkeit brennen. Aber sowas von gottlos kann doch ’ne Stadt gar nicht sein, möcht ich mal meinen.«
    Der Mann berichtete ihm des weiteren, daß es in Hampton Court selbst sogar eine Art Markt gebe, der der beste Umschlagplatz für Neuigkeiten sei und wo die Pankies Gelegenheit hätten, sich einer der dortigen Gemeinschaften anzuschließen. »Freilich, wer nicht einigermaßen rüstig ist, den will keiner haben«, sagte der Mann und warf dabei Undine Pankie einen zweifelnden Blick zu. »Die Zeiten sind halt hart, gelt?«
    Verzückt schon bei dem bloßen Gedanken, wieder ihrer hausfraulichen Berufung nachgehen zu können, beachtete Frau Pankie ihn gar nicht. Sefton nickte kurz und knapp, als sie von dem Mann schieden, als begriffe er, daß man seine Frau beleidigt hatte, aber wäre zu sehr Gentleman, um es zu zeigen.
    Hinter einer scharfen Flußbiegung tauchte kurz darauf Hampton Court Palace mit seinen vielen Türmen auf, die im fahlen Sonnenschein aufragten. Auf den Rasenflächen über der Themse hielt sich eine enttäuschend kleine Zahl von Menschen auf, doch als Paul das Boot anlegte und Frau Pankie an Land befördern half, erzählte ihm eine auf einem Wagen sitzende Frau, daß der Markt sich in der »Wildnis« hinter dem Palast befinde.
    »Denn das da ist passiert, als wir vorher vom Fluß aus zu sehen waren und eins von den marsianischen Schlachtschiffen vorbeikam«, sagte sie und deutete auf das Große Torhaus, von dem nur noch schwarze Trümmer übrig waren. Vor den eingestürzten Mauern war der Boden meterweit glatt und glänzend wie ein glasierter Topf.
    Frau Pankie eilte durch die Parkanlagen voraus. Ihr Mann bemühte sich, mit ihr Schritt zu halten – nicht nur in ihrer Gestalt, sondern auch in ihrer erstaunlichen Flinkheit glich sie einer Bärin –, aber Paul entschied sich für eine gemütlichere Gangart. Er kam an mehreren Dutzend Leuten vorbei, von denen einige anscheinend ihre ganze Familie auf Heuwagen geladen hatten. Andere fuhren flotte kleine Gigs und Buggys, die vielleicht einmal Wahrzeichen des Wohlstands gewesen, aber jetzt nur noch weniger belastbare Beförderungsmittel waren als die Bauernwagen. Niemand lächelte oder erwiderte seinen Gruß mit mehr als einem Nicken, und dennoch wirkten diese Marktfahrer weitaus alltäglicher als die anderen Überlebenden, denen er bisher begegnet war. Die schlichte Tatsache, daß es nach den vielen schwarzen Monaten einen Markt gab, zu dem man fahren konnte, reichte aus, um die Laune zu heben. Die Marsianer waren gekommen und hatten sich die Menschheit unterworfen, doch das Leben ging weiter.
    Während er über den kopfsteingepflasterten Parkplatz auf Tiltyard Gardens und die dort versammelte Menschenmenge zuschritt, ging es ihm durch den Kopf, daß er hier wenigstens in irgendeinem England war, auch wenn die Traumfrau vielleicht einen anderen Ort gemeint

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