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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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selbst war Hausfrau, und sie bemerkte mehr als einmal, daß dies nicht nur ihrer unmaßgeblichen Meinung nach die höchste Position sei, nach der eine Frau streben könne oder solle. Und, erklärte sie, sie führe ihr Haus so straff wie ein ordentliches Schiff: Selbst ihr guter Sefton, machte sie sehr deutlich, wisse genau, wo er »spuren« müsse.
    Paul konnte Herrn Pankies unwillkürliches Zucken nicht übersehen.
    Aber einen großen Kummer gab es in Undine Pankies Leben, nämlich daß der Herr nicht geruht hatte, ihr das Glück der Mutterschaft zu gewähren, das herrlichste aller Geschenke, die eine Frau ihrem Mann machen könne. Sie hätten einen Foxterrier namens Dandy – und an dem Punkt kam sie einen Moment lang durcheinander, als ihr einfiel, daß sie den Foxterrier ja gar nicht mehr hatten, so wenig wie ihr Haus: beide seien von einem furchtbaren marsianischen Hitzestrahl verbrannt worden, der ihren gesamten Straßenzug vernichtet habe und dem die Pankies nur deshalb entkommen seien, weil sie bei einem Nachbarn vorbeigeschaut hätten, um Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen.
    Frau Pankie unterbrach ihren Bericht, um ein paar Tränen für den tapferen kleinen Dandy zu vergießen. Paul erschien es geradezu grotesk, daß diese dicke, weichherzige Frau angesichts von soviel Leid und Zerstörung einen Hund beweinte und ihm dabei verstohlene Blicke zuwarf, um sich zu vergewissern, daß er ja mitbekam, wie hilflos sentimental sie war. Aber er, der kein Zuhause hatte und nicht einmal wußte, ob er je wieder eines haben würde, wie sollte er über andere und ihre Verluste urteilen?
    »Dandy war für uns wie Kind, Herr Johnson. Wirklich! Stimmt das nicht, Sefton?«
    Herr Pankie hatte schon angefangen zu nicken, bevor sie sich an ihn gewandt hatte. Für Pauls Empfinden hatte er nicht sehr genau zugehört – er hatte im Feuer gestochert und zu den rot angeleuchteten Ästen hinaufgestarrt –, aber der Mann hatte deutlich Übung darin, die Fingerzeige mitzukriegen, die ihm sagten, daß sein Einsatz erwartet wurde.
    »Nichts auf der Welt wünschten wir uns mehr als ein Kind, Herr Johnson. Aber Gott hat es nicht so gewollt. Trotzdem, es wird schon zu unserem Besten sein. Wir müssen über seine Weisheit frohlocken, auch wenn wir seinen Plan nicht begreifen.«
    Als Paul später dalag und auf den Schlaf wartete, während die Pankies neben ihm im Duett schnarchten – sie tief und rauh, er hoch und flötend –, ging es ihm durch den Kopf, daß sie sich angehört hatte, als könnte sie durchaus etwas weniger duldsam sein, falls sie jemals Gott von Angesicht zu Angesicht begegnete. Ja, Undine Pankie klang wie eine Frau, die selbst die Langmut des Herrn auf eine ziemlich harte Probe stellen konnte.
    Sie war Paul richtig unheimlich.
     
    Es war eigenartig, dachte er am nächsten Morgen, während das Boot die Themse hinauffuhr, wie die winzigste Andeutung von Normalität die schlimmsten und unergründlichsten Greuel verdrängen und den Tag mit Banalitäten anfüllen konnte. Der menschliche Geist mochte sich nicht zu lange mit Schemen beschäftigen – er brauchte festen Brennstoff, die einfachen tierischen Dinge, das Fassen, Halten, Bearbeiten.
    Es war noch keinen Tag her, seit er den Pankies begegnet war, und schon jetzt hatten sie aus seiner einsamen Odyssee eine Art geselliger Bootspartie gemacht. Just in diesem Moment stritten sie sich darüber, ob Herr Pankie mit einem Faden und einer Sicherheitsnadel einen Fisch fangen könne. Seine Frau vertrat nachdrücklich die Auffassung, daß er viel zu ungeschickt sei und solche Kunststücke dem »gescheiten Herrn Johnson« überlassen solle – letzteres mit einem gewinnenden Lächeln gesagt, das in Pauls Augen mehr mit dem Lockversuch einer fleischfressenden Pflanze gemein hatte als mit einem menschlichen Gesichtsausdruck.
    Aber Tatsache war, sie waren hier, und er hatte sich von ihrem unablässigen kleinlichen Getue derart vereinnahmen lassen, daß ihm seine eigene Not völlig entfallen war. Was einerseits gut und andererseits schlecht war.
    Als er an dem Morgen aufgestanden war, hatte er mit keinem geringen Verdruß feststellen müssen, daß die Pankies sich so herausgeputzt hatten, wie es ihre bescheidenen Möglichkeiten erlaubten, und »reisefertig« waren, wie sie es ausdrückten. Irgendwie war, ohne jede Mitwirkung von Paul, die Idee aufgekommen, er habe sich erboten, sie flußaufwärts mitzunehmen und gemeinsam mit ihnen nach Gefilden Ausschau zu halten, die mehr

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