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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Mann hatte sich nicht umgebracht, dann würde Jeremiah ihm die Tracht Prügel seines Lebens verabreichen, ganz egal ob der andere stärker war oder nicht.
    Bei der Vorstellung, einen Mann deshalb zu verprügeln, weil er nicht Selbstmord begangen hatte, entfuhr ihm unwillkürlich ein nervöser Lacher. Es war kein schöner Laut.
    Er überprüfte zuerst die naheliegendsten Stellen. Josephs Bett im Gemeinschaftsschlafraum war verlassen und das Deckenknäuel am Fußboden das einzige Unordentliche in einem ansonsten leeren Zimmer. Die Küche, die der Mann mit einer geradezu geisteskranken Verbissenheit nach etwas Trinkbarem durchsucht hatte, war ebenfalls leer. Jeremiah zwang sich, die Speisekammern und den begehbaren Kühlschrank zu öffnen und sogar in die Schränke zu gucken, und das trotz seiner Furcht, daß ihm aus einem Josephs Leiche entgegenglotzen könnte, Schaum vorm Mund von irgendeinem scheußlichen flüssigen Reinigungsmittel. Doch auch die Küche war still und menschenleer.
    Er stöberte systematisch sämtliche Wohn- und Büroräume durch, machte alles auf, was größer als ein Aktenschrank war. Er brauchte dazu annähernd zwei Stunden. Das Geräusch von Renies und !Xabbus Herzschlägen begleitete ihn, immer noch leise und gleichmäßig, aber mit eben genug Abwechslung, daß es nach einer Weile geradezu beruhigend wirkte und er sich dadurch nicht ganz so allein fühlte.
    Bi-bumm… Bi-bumm…
    Nachdem er mit diesem Teil fertig war, begab sich Jeremiah nach oben in die Garage, für den Fall, daß dieser bescheuerte Sulaweyo versucht hatte, den Ihlosi anzulassen und sich mit Auspuffgasen umzubringen, ohne sich klarzumachen, daß ihm längst das Benzin ausgehen würde, bevor er eine halbe Million Kubikmeter große Garage gefüllt kriegte, selbst wenn sie unbelüftet gewesen wäre. Aber der Wagen war leer, seit dem letzten Wischen unberührt, so zerschunden und im Augenblick nutzlos, wie Jeremiah sich auch fühlte. Er machte die Tür auf und holte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach, dann setzte er seinen Weg durch das Parkhaus fort und leuchtete mit dem Strahl zu den dunklen Stellen hinter den herabhängenden Lampen hinauf, um auch die extrem geringe Möglichkeit auszuschließen, daß Joseph sich irgendwie zu den Trägern hinaufgehangelt hatte, um sich zu erhängen.
    Die Parkdecks waren viel leichter zu überprüfen, und alle vier waren leer. Jeremiah blieb im obersten stehen, um eine Denk- und Ruhepause einzulegen, und lauschte den dröhnenden Herzschlägen, deren Echo jetzt von den steinernen Wänden vierfach und öfter zurückgeworfen wurde. Es war unbegreiflich – er hatte überall nachgesehen. Es sei denn, der Mann war doch in einen der Tanks gestiegen. Wenn er sich in der Flüssigkeit ersäuft hatte, würde dies das Fehlen zusätzlicher Lebenszeichen erklären.
    Jeremiah schauderte es. Die Vorstellung, Irene Sulaweyo könnte dort im Dunkeln in der zähen Suppe liegen, ohne zu ahnen, daß die Leiche ihres Vaters unmittelbar neben ihr schwamm …
    Er mußte das prüfen. Es war furchtbar, aber er würde nachschauen müssen. Er fragte sich, ob er damit, daß er einfach den Tank öffnete, schon die Schläfer aus ihren virtuellen Träumen reißen würde. Und wenn Joseph gar nicht da war und das Experiment völlig grundlos abgebrochen wurde…?
    Hin- und hergerissen und immer noch ängstlich begab sich Jeremiah zum größten Belüftungsschacht hinüber, um sich mit ein bißchen frischer Luft einen klaren Kopf zu verschaffen. Den bekam er, aber anders, als er gedacht hatte.
    Das Schachtgitter lag auf dem Boden.
    Jeremiah starrte eine Weile entgeistert darauf und dann zu dem offenen Ende der großen viereckigen Röhre empor, einem dunklen Loch ins Nichts. Jeremiah richtete den Lampenstrahl wieder auf den Boden und sah, daß eine Handvoll Schrauben sorgfältig auf das Gitter gelegt worden waren.
    Der Schacht war groß genug für einen Mann, aber auch schmal genug, daß jemand darin hochklettern konnte, wenn er sich kontrolliert mit Schultern und Beinen abstützte. Falls dieser Jemand sehr entschlossen war. Oder ein bißchen verrückt.
    Die verstärkten Herzschläge waren hier am hinteren Ende der Garage, weit weg vom Lautsprecher, leiser. Jeremiah beugte sich vor den Schacht, rief Josephs Namen und hörte seine Stimme hohl verhallen. Er rief abermals, doch es kam keine Antwort. Er schob Kopf und Oberkörper in die Öffnung und zielte mit der Taschenlampe nach oben. An der ersten Nahtstelle flatterte ein

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