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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nochmal!« Er hob die Hand.
    »Wenn du sie schlägst«, sagte Renie scharf, »bring ich dich um.«
    Azador starrte sie an. »Dann schaff mir dieses bescheuerte Weibsbild vom Hals. Und zwar plötzlich, oder wir gehen alle drauf.«
    Renie zog die protestierende Emily von ihm weg. Das Mädchen jammerte: »Aber unser Baby…!«
    »Es wird niemals geboren werden, wenn wir nicht schleunigst abhauen.« Auf einmal kam ihr ein Gedanke. »Was hat dieser scheußliche Blechmann gesagt? ›Du hast die Dorothy entdeckt‹, oder so ähnlich? War es das, worüber sie geredet haben – dieses Baby?«
    Azador war nicht zum Diskutieren aufgelegt. Er eilte bereits durch die Halle auf einen Korridor zu, der im rechten Winkel von dem abging, aus dem gleich die Angreifer kommen mußten, wenn !Xabbu recht hatte. Renie schluckte einen Fluch hinunter und lief hinter ihm her, neben ihr !Xabbu auf allen vieren. Emily mußte nicht dazu aufgefordert werden, dem schnauzbärtigen Mann zu folgen.
    Das ist leicht gesagt, daß du ihn umbringen würdest, Frau, dachte Renie, aber er ist kräftig, und du hast keine Waffen. Sie verfluchte sich dafür, daß sie den toten Soldaten nicht eines der alten Gewehre abgenommen hatte, doch nach dem, was sie am Ladeplatz gesehen hatte, bezweifelte sie, daß einer von ihnen noch Munition dafür hatte.
    Azador schlug ein forsches Tempo an, und Renie tat noch alles weh von den ganzen Debakeln in Kunoharas Welt und in dieser verdrehten Version von Oz. Er führte sie auf weiten Umwegen durch das Gebäude, Gänge hinunter, die Sackgassen zu sein schienen, aber dann doch in Nischen versteckte Türen hatten. Renie fragte sich abermals, woher er soviel über diese Simwelt wußte. Ganz zu schweigen von dem kleinen Trick, ein Stück Wand in einen Durchgang zu verwandeln, erinnerte sie sich.
    Wer zum Teufel ist dieser Kerl?
    Der Palast der Vogelscheuche, ein endloses funktionalistisches Labyrinth aus Betonwänden und Linoleumfußböden, hätte genausogut ein Verwaltungsgebäude in Durban oder sonstwo in der Dritten Welt sein können. Früher hatte hier offensichtlich einmal ein geschäftiges Treiben geherrscht – altmodische Ausdrucke und andere Papiere lagen überall verstreut und stellten eine Rutschgefahr dar, und allein in den Abteilungen, durch die sie kamen, standen Schreibtische und Stühle für Hunderte von Personen herum, obwohl wenigstens die Hälfte davon für unnormal kleine Leute gemacht zu sein schien –, aber jetzt war das Gebäude so leer wie der Stock nach dem Durchmarsch des Ameisenschwarms.
    Entropie, sagte sie sich. Ist das nicht das Wort dafür? Als ob dies alles einmal voll gewesen und dann einfach verkommen, verfallen wäre. Aber sie waren bis jetzt erst in drei Simulationen gewesen. Für abschließende Urteile war es noch ein bißchen früh.
    Azador blieb vor einer breiten Doppeltür stehen und stemmte sich dagegen. Die Türflügel öffneten sich einen Spalt, aber auf der anderen Seite schien etwas sie zu blockieren. Renie stellte sich dazu und half mit drücken, sogar Emily machte mit, wobei sie ihren Liebsten angaffte, als ob er gerade eigenhändig die Wogen des Roten Meeres teilte. Das Bild schien noch besser zuzutreffen, als gleich darauf die Türflügel jäh aufschlugen und ihnen eine rote Flut entgegenstürzte. Einen Moment lang konnte Renie darin nur einen albtraumhaften Blutschwall erblicken, aber er war trocken und raschelig, und als sie das Zeug in die Hand nahm, war es zu ihrem Erstaunen …
    »Konfetti…?«
    Sie wateten durch die Massen von Papierpünktchen und flankten dann über die umgekippten Schreibtische, die am anderen Ende zusammengeschoben worden waren. Auf einem Transparent, das ihnen ins Gesicht baumelte, als sie über das aufgehäufte Mobiliar kraxelten, stand in riesigen handgemalten Buchstaben: »Du wirst uns fehlen, Gelella Marmelada! Alles Gute im Ruhestand!«
    »Das ist die Empfangshalle.« Azadors Blick überflog die Stapel von Klapptischen, die die anderen drei Eingänge des Saales versperrten. »Jemand hat versucht, den Raum zu verbarrikadieren.«
    »Ziemlich armselige Leistung«, bemerkte Renie.
    »Es sind nicht mehr viele Verteidiger übrig«, gab Azador zu bedenken. Als Renie auf die unverrammelte Tür zuging, rief er: »Nein! Tu das nicht!«
    Ärgerlich fuhr sie herum. »Wie kommst du dazu, mir Befehle zu geben?«
    »Das hat mit Befehlen nichts zu tun. Sie haben Sachen vor die anderen Türen geschoben, aber nicht vor die. Die wollen, daß wir da durchgehen.

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