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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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durch das sie in diese Welt eingetreten waren, undeutlich wie ein ferner Berg in dem Dämmerlicht und absurd weit weg. Wenn er und Fredericks und ihre Gefährten wirklich nur zwei oder drei Zentimeter groß wären, wie es den Eindruck machte, wenn er sich mit den diversen Gegenständen und Bewohnern verglich … Orlando rechnete rasch im Kopf nach und kam zum dem Ergebnis, daß nach diesem Maßstab eine normal große Küche von einer Seite zur anderen höchstens einen halben Kilometer lang wäre. Dennoch waren sie schon fast zwei volle Tage mit der Strömung gepaddelt und immer noch nicht am Ende angekommen.
    Zum erstenmal kam Orlando der Gedanke, wem die Küche wohl gehören mochte – einem aus der Gralsbruderschaft? Oder gab es noch Besitzer ganz anderer Art, gewöhnliche reiche Leute, die sich in dem Netzwerk der Bruderschaft einmieteten und daraufhin ihre eigenen Welten bauten? Er konnte sich den Schöpfer der Küche nur schwer als eines der steinreichen Monster vorstellen, die Sellars beschrieben hatte. Die Simwelt wirkte zu … abstrus, falls dies das richtige Wort war. (Er war ihm schon oft begegnet, aber war sich nicht hundertprozentig sicher, was es bedeutete.)
    Die Glühbirne an der Decke wurde langsam trüber. Der Häuptling fand eine flache, ruhige Stelle am Rand der Sisalfelder, und gemeinsam wateten sie an Land. Dann zündete Starke Marke ein Feuer an, indem er zwei Stöcke aneinanderrieb, eine recht eigenartige Methode, wenn man bedachte, daß er selbst ein Streichholz war. Aber vielleicht war sie gar nicht so eigenartig, überlegte Orlando, als er sich erinnerte, wie grausam der kleine Zündi von den Piraten mißbraucht worden war.
    Während sie um das Feuer saßen und zusahen, wie aus dem wilden Lodern ein müdes Flackern wurde, erzählte die Landschildkröte die Geschichte von Balduin Bimsstein, einem einfältigen jungen Mann, der wegen seines reinen Herzens einen Vogel (offenbar die verzauberte Puderzuckerfee) vor den Nachstellungen eines Jägers rettete. Dank der Hilfe der Fee konnte Balduin später die Rätsel von König Kochtopf lösen, rettete damit sein Leben und erhielt die Tochter des Herrschers, Prinzessin Flotte Lotte, zur Frau. (Orlando war sich einigermaßen sicher, daß die Namen so lauteten, aber er war immer noch niedergeschlagen und jetzt auch müde, so daß es ihm schwerfiel, aufmerksam zuzuhören.) Es war anscheinend ein bekanntes Küchenmärchen, bei dem wie üblich am glücklichen Ende das Böse besiegt war und das Gute triumphierte, wenn auch einige der Details unerklärlich merkwürdig waren, etwa die furchterregende Stimme des Müllschluckers, eines alles verschlingenden Ungeheuers unter dem Spülbecken, das die Rätsel des Königs verkündete. Beim Eindämmern ging Orlando noch flüchtig die Frage durch den Kopf, ob dieses Märchen wohl von den Designern der Küche einprogrammiert worden war, oder ob die Replikanten es selbst erfunden hatten.
    Aber Reps können doch nichts erfinden, nicht wahr? Wenigstens meinte Orlando das. Bestimmt konnten sich nur lebendige Wesen Geschichten ausdenken…
     
    Eine kühle Brise wehte vom Fluß her durch die Küche, und die frische Zugluft am Gesicht weckte Orlando auf. Fredericks saß aufrecht da und starrte ins Feuer, das zu einem Gluthaufen heruntergebrannt war, in dem winzige, ersterbende Flämmchen züngelten. Irgend jemand – Orlando dachte zuerst, es sei sein Freund – flüsterte.
    »… Ihr werdet hier sterben …«
    Er richtete sich auf. Ein Gesicht bewegte sich in der Glut – der Zeichentrickteufel, den sie vorher schon in dem Kanonenofen gesehen hatten. Fredericks betrachtete sein Feixen und Zwinkern mit einem gebannten Ernst, der Orlando nervös machte.
    »Ihr hättet niemals hierherkommen sollen«, erklärte der Dämon mit unheilvollem Kichern. »Das wird euer Ende sein …«
    »Fredericks?« Orlando rutschte vor und rüttelte seinen Freund an der Schulter. »Ist was mit dir?«
    »Orlando?« Fredericks schüttelte sich, als hätte er gedöst. »Ah, ja, alles chizz, denk ich.«
    »Du solltest dir so ’nen Fen gar nicht anhören.« Orlando stieß ärgerlich mit einem Stock in die Glut. Das Bild verzerrte sich kurz, dann stellte es sich blitzschnell wieder her und lachte ihn aus.
    »Das?« Fredericks zuckte mit den Achseln. »Schon gebongt. Das ist, wie wenn du dir ’nen alten Film reinziehst – es läuft ständig weiter, sagt immer die gleichen Sachen. Ich hab gar nicht aufgepaßt.«
    Als hätte er es gehört und

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