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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ich zwölf wurde, bekam ich ein professionelles Daemongear geschenkt, und Miz pSoozi wurde geext.«
    Orlando wischte sich etwas Schweiß aus dem Gesicht und schnippte ihn in das dunkelgrüne Wasser. »Was ist dein Papa für einer? Du hast nie was von ihm erzählt.«
    »Ich weiß nicht. So’n Papa halt. Er ist ein ziemlicher Brocken. Und er meint, alle sollten so sein wie er und nie was verkehrt machen. Er sagt immer: ›Sam, es ist mir egal, was du machst, solange du es gut machst.‹
    Aber manchmal frag ich mich, na ja, was ist, wenn ich halt in irgendwas megaschlecht bin? Schließlich kann nicht jeder in allem gut sein, oder?«
    »Und deine Mama?«
    »Ziemlich nervös. Sie macht sich ständig Sorgen, irgendwas könnte nicht klappen.« Fredericks haschte nach einem glänzenden Fisch, der unter seiner Hand wegtauchte. »Was ist mit deinen Eltern? Sind sie normal oder was?«
    »So halbwegs. Es paßt ihnen nicht, daß ich krank bin. Sie sind nicht fies oder so – sie geben sich wirklich alle Mühe. Aber es macht sie total unglücklich. Mein Vater spricht kaum mehr ein Wort. Als ob er zerplatzen oder zu weinen anfangen könnte, wenn er nicht aufpaßt.«
    Fredericks setzte sich auf. »Gibt’s … gibt’s denn gar nichts, was sie machen können?« fragte er schüchtern. »Gegen diese Krankheit, die du hast?«
    Orlando schüttelte den Kopf. Im Augenblick war seine Bitterkeit weitgehend verflogen. »Nein. Du würdest es nicht für möglich halten, wie viele Sachen sie schon ausprobiert haben. Wenn du dich richtig amüsieren willst, mußt du dir mal ’ne Zelltherapie verpassen lassen – ich bin zwei Monate lang nicht mehr aus dem Bett gekommen. Ein Gefühl wie in einer dieser S&M-Simwelten. Wie wenn dir jemand heiße Nieten in die Gelenke schießt.«
    »Ach, Orlando! Das ist ja grauenhaft.«
    Er zuckte mit den Achseln. Fredericks blickte ihn mit einem Ausdruck an, der verdächtig nach Mitleid aussah, und Orlando wandte sich ab.
    »Was meinst du, wo wir jetzt sind?« fragte Fredericks schließlich. »Und was sollen wir machen?«
    Orlando vermutete, daß diese praktische Frage ein plumper Versuch war, ihn abzulenken, aber er tat sich selbst schwer genug, mit seiner Krankheit umzugehen, da konnte er nicht von anderen das perfekte Verhalten erwarten. »Wo wir sind, weiß ich genausowenig wie du. Aber wir müssen diese Dings finden, Ilions Mauern, wir müssen die andern finden. Ich muß ihnen sagen, was die Bruderschaft im Schilde führt.«
    »Meinst du, das kriegen die wirklich hin?« fragte Fredericks. »Ewig leben? Ist das nicht … äh, wissenschaftlich unmöglich oder so?«
    »Erzähl das denen, nicht mir.« Orlando stand auf und stieß das Boot, das langsamer geworden war, ins tiefere Fahrwasser hinaus. »Fen-fen, ich hab Wasser gestrichen satt. Ich wäre echt froh, wenn ich nie wieder einen Fluß sehen müßte.«
    Ein schwaches Donnergrollen und -rumpeln scholl vom wolkenlosen, blaßblauen Himmel herab; das Echo murmelte an den fernen Bergen entlang, bevor es in der Ebene dazwischen wieder still wurde.
     
    Orlando hatte diesmal seine Sterne, aber sie machten ihm nicht viel Freude.
    Nach dem langen Sonnenuntergang, während dessen das Wasser des Flusses erst zu geschmolzenem Gold und dann, als der Schatten der westlichen Berge sich langsam darüber legte, immer schwärzer geworden war, waren sie an das sandige Ufer gestakt, hatten das Boot an Land gezogen und in dem symbolischen, wenn auch nicht sehr realen Schutz einer kleinen Palmengruppe ihr Nachtlager aufgeschlagen. Als die Sonne weg war, wurde es in der Wüste schnell kalt. Fredericks hatte sich in eine Hälfte des steifen Segeltuchs gewickelt und war prompt eingeschlafen. Orlando war das nicht geglückt.
    Er schaute auf dem Rücken liegend nach oben und war halb überzeugt, am schwarzen Himmel Bewegung erkennen zu können, Wellen, die über die Lichtpunkte der Sterne hinwegliefen, daß es aussah, als wären diese Pailletten am Kostüm einer unglaublich trägen Tänzerin, aber er konnte sich nicht konzentrieren, weil sein Körper ihn quälte und ihm keine Ruhe ließ. Jetzt, wo die Ablenkungen des Tages weg waren, spürte er sein Herz in der Brust schlagen, zu schnell, wie ihm schien. Außerdem hatte er Atemnot, soweit er das zwischen den Zitteranfällen sagen konnte, die er jedesmal bekam, wenn die Brise auffrischte.
    Ich habe nicht mehr viel Zeit, dachte er vielleicht zum zehntenmal, seit die Sonne versunken war. Er konnte ganz deutlich fühlen, wie gebrechlich

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