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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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erstenmal bedenken, was sie als nächstes sagen sollte. »Aber es gibt auch solche, die meinen, sie könnten diese Wiederkehr der Traumzeit mit Gewalt betreiben oder sie sogar ihren eigenen Zielen dienstbar machen, und diese Leute schrecken nicht davor zurück, die Rituale und Glaubensvorstellungen ihres Volkes zu diesem Zweck zu pervertieren.«
    Calliope spürte ihr Interesse steigen. »Und du meinst, der Killer könnte so jemand sein? Jemand, der irgendein Ritual, irgendeinen Zauber vollziehen will, um die Traumzeit zurückzubringen?«
    »Kann sein.« Victoria Jigalong blickte viel betroffener, als der Anlaß es rechtfertigte. Calliope fragte sich, ob es sie schmerzte, über etwas zu sprechen, das man als Indiz für die Einfältigkeit ihres Volkes auffassen konnte. »Der Woolagaroo ist mancherorts ein ziemlich aufrüttelndes Bild – und nicht bloß für die negativen Auswirkungen der Technik. Manche begreifen ihn als eine Metapher dafür, daß die Bestrebungen des weißen Mannes, die Urvölker nach seinem Bilde umzuformen, zuletzt auf ihn selbst zurückschlagen werden. Daß seine ›Schöpfung‹, wenn du so willst, sich gegen ihn wenden wird.«
    »Mit andern Worten, manche Leute benutzen ihn, um Rassenunruhen anzuheizen?«
    »Ja. Aber vergiß nicht, selbst in diesen turbulenten Zeiten ist er ein Mythos, und wie bei allen Mythen meines Volkes darf das, was daran schön ist – was daran wahr ist –, nicht damit verwechselt werden, was kranke oder verbiesterte Hirne daraus machen möchten.« Merkwürdigerweise schien diese strenge Frau die Polizistin beinahe um Verständnis zu bitten.
    Als Calliope sich bei ihr bedankt hatte und schon in der Tür stand, drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Ach, übrigens, mir ist dieser Knochenring in deinem Bücherschrank aufgefallen. Ist er ein Kunstwerk oder irgendeine Auszeichnung? Er ist wirklich sehr schön.«
    Professor Jigalong drehte sich nicht nach dem Schrank um; sie beantwortete auch nicht die Frage. »Ich denke, du bist ein guter Mensch, Detective Skouros. Tut mir leid, daß ich anfangs so scharf war.«
    »Keine Ursache.« Calliope war verwirrt. Der Ton der Professorin war wieder seltsam und zögernd geworden. Kam jetzt doch noch ein Anmachversuch? Calliope wußte nicht so recht, wie sie das finden würde.
    »Eins möchte ich dir noch sagen. Viele Leute warten auf die Traumzeit. Manche versuchen sie herbeizuführen. Es sind ernste Zeiten.«
    »Oh, ganz bestimmt«, entgegnete sie eifrig und wünschte sofort, sie hätte den Mund gehalten. Der Blick der Frau war sehr, sehr eindringlich, aber das war kein Grund, einfach loszusprudeln.
    »Ernster, als dir klar ist.« Victoria Jigalong drehte sich jetzt um und trat an den Bücherschrank. Sie nahm den Knochenkreis vom Regal und fuhr andächtig mit dem Finger ringsherum wie eine Nonne, die den Rosenkranz betet. »Und in diesen ernsten Zeiten«, fuhr sie schließlich fort, »solltest du jemanden, der den Woolagaroozauber anruft, nicht unterschätzen. Nimm die Vorstellung der Traumzeit nicht auf die leichte Schulter.«
    »Ich nehme die Glaubensvorstellungen anderer Leute nie auf die leichte Schulter, Professor.«
    »Um Glaubensvorstellungen geht es hierbei nicht mehr, Detective. Die Welt steht vor einer großen Veränderung, auch wenn die meisten das noch nicht sehen können. Aber ich sollte dich nicht länger aufhalten. Guten Tag.«
     
    Eine halbe Stunde später saß Calliope immer noch in ihrem Dienstwagen auf dem Parkplatz und ließ das Gespräch ablaufen. Sie starrte dabei auf ihre Notizen zum Woolagaroomythos und versuchte sich darüber klarzuwerden, was zum Donner das nun wieder gewesen war.
     
     
    > Christabel wartete und wartete draußen vor der Metalltür und gab sich alle Mühe, sich nicht mehr zu fürchten. Es war, als wenn ein Drache hinter der Tür stand oder sonst ein Monster. Sie traute sich nicht anzuklopfen, obwohl sie wußte, daß auf der anderen Seite nur Herr Sellars war. Herr Sellars und dieser fiese, scheußliche Junge.
    Endlich nahm sie allen Mut zusammen und klopfte mit dem Stein das Signal an die Tür, das Herr Sellars ihr gesagt hatte: bumm-bumpa-bumm-bumm.
    Die Tür ging auf. Das schmutzige Gesicht des Jungen guckte sie an.
    »Ich will Herrn Sellars sehen«, sagte sie mit ihrer festesten Stimme.
    Der Junge ließ sie ein, und sie kroch an ihm vorbei. Er roch. Sie verzog das Gesicht, und er sah es, aber er stieß nur ein leises zischendes Lachen zwischen den Zähnen hervor, wie Mystery Maus es

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