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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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buchstäblich schwarz war, so daß sie verstohlen den Kontrast ihres Bildschirms verstellte, um dort nicht nur eine Maske mit irritierend weißen Augen in der Mitte zu sehen. Der Kopf der Frau war kahlrasiert, und sie trug ungewöhnlich große Ringe im Ohr und ein Halsband mit klobigen Steinperlen.
    »Was kann ich für dich tun, Detective?« Jigalongs Stimme war rauchig und tief und ihre ganze Ausstrahlung, selbst über die Telekomleitung, ziemlich überwältigend. Calliopes Hoffnung, an die schwesterliche Solidarität zu appellieren, löste sich in Nichts auf. Die Frau war … irgendwie hexig.
    Mit größtmöglicher professioneller Routine und einem Ton, der respektvoll klingen sollte (was ihr aus irgendeinem Grund angebracht erschien), stellte Detective Skouros sich vor und erläuterte rasch, daß sie Informationen über die Woolagaroofigur und verwandte Mythen brauche.
    »Es gibt viele Mythensammlungen, die für Anfänger geeignet sind«, erwiderte die Professorin kühl wie ein nebeliger Morgen. »Sie sind in mehreren Medien zugänglich. Ich lasse dir gern von jemandem eine Liste zusammenstellen.«
    »Die meisten kenne ich wahrscheinlich schon. Ich brauche Sachen, die etwas tiefer gehen.«
    Die Frau zog die Brauen hoch. »Darf ich fragen, warum?«
    »Ich ermittle in einer Mordsache. Es besteht, denke ich, die Möglichkeit, daß der Täter von uraustralischen Mythen beeinflußt wurde.«
    »Mit andern Worten, du denkst, daß der Mörder wahrscheinlich ein Schwarzer ist, nicht wahr?« Der Ton der Professorin blieb kalt und abweisend. »Es ist dir nicht in den Sinn gekommen, daß er ein Weißer sein könnte, der etwas nachahmt, was er gehört oder gelesen hat.«
    Calliope fühlte, wie der Ärger in ihr aufflackerte. »Erstmal, Professor, ist es gar nicht ausgemacht, daß der Täter überhaupt ein Er ist. Aber auch wenn er ein Mann ist, interessiert mich seine Hautfarbe nicht im geringsten beziehungsweise nur insoweit, als sie uns hilft, ihn zu fassen.« Sie war zorniger, als sie zunächst gemerkt hatte. Nicht nur hatte diese Frau mit schwesterlicher Solidarität nichts im Sinn, für sie war Calliope zudem nichts weiter als irgendeine weiße Polizeikraft. »Das Wichtigste hierbei ist die arme Kleine, die er getötet hat, und die ist zufälligerweise ihrerseits Aborigine – eine Tiwi. Was nicht bedeutet, daß sie mehr oder weniger wert ist. Oder weniger tot.«
    Victoria Jigalong sagte eine Weile nichts. »Ich entschuldige mich für meine Bemerkung.« Es klang nicht so, als ob es ihr leid täte, aber Calliope hatte ihre Zweifel, ob die Frau zu so etwas überhaupt imstande war. »Was bringt dich auf den Gedanken, diese Sache könnte etwas mit australischen Mythen zu tun haben?«
    Calliope beschrieb den Zustand der Leiche und erwähnte die Bemerkung, die die Frau des Pfarrers gemacht hatte.
    »Verletzungen der Augen sind auch in andern Ländern und andern Kulturen nicht ungewöhnlich«, sagte die Professorin, »wo die Leute noch nie was vom Woolagaroomythos gehört haben.«
    »Mir ist klar, daß Aborigineüberlieferungen nur eine Möglichkeit sind. Aber irgend jemand hat Polly Merapanui getötet, und irgend jemand hat sie so zugerichtet, deshalb verfolge ich jede Spur, die ich habe.«
    Das dunkle Gesicht auf dem Bildschirm schwieg abermals mehrere Sekunden lang. »Heißt das, die Sensationsnetze werden einen großen Rummel darum machen?« fragte Victoria Jigalong schließlich. »›Polizei sucht Abomythen-Killer‹ oder so?«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann. Der Mord liegt ohnehin fünf Jahre zurück. Die traurige Wahrheit ist, daß niemand außer mir und meinem Partner sich um die Sache schert, und wenn wir nicht bald was Konkretes vorlegen können, wird sie wieder in den Stapel ›Ungelöste Fälle‹ wandern, und das war’s dann wahrscheinlich.«
    »Gut. Komm zu mir ins Büro.« Sie hatte sich entschieden und war jetzt kurz angebunden. »Ich erzähle dir alles, was ich weiß. Mach eine Zeit mit Henry aus – mit dem du zuerst gesprochen hast. Er kennt meinen Terminkalender.«
    Bevor Calliope ihren eigenen vollen Terminkalender ins Feld führen konnte, hatte Professor Jigalong das Gespräch beendet.
    Eine halbe Minute lang saß sie nur da und starrte hilflos entrüstet den Bildschirm an, dann rief sie den Assistenten wieder an und machte einen Termin aus. Wütend über ihre Nachgiebigkeit – sie, die ihr Vater wegen ihrer Sturheit immer »Ochse« genannt hatte – wühlte sie in der untersten

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