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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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was!«
    Hinter ihr ertönte ein Geräusch. Verteidigungsbereit fuhr Renie herum.
    Emily 22813 rappelte sich mit großen Augen in eine sitzende Haltung auf.
    »Aber … aber wie kann das sein, daß du hier bist?« staunte Renie das Mädchen an. An einem Tag voller Überraschungen war das eine zuviel. »Es sei denn … wir sind noch in Kansas … aber das glaube ich nicht.« Sie wurde nicht daraus schlau. »Herrje, es ist auch egal. Hilf mir mit !Xabbu ! Ich glaube, er ist verletzt oder krank.«
    »Wer bist du?« Die Frage klang ernst gemeint. Emilys Stimme war dieselbe, aber der Tonfall hatte sich irgendwie verändert. Die Augen in ihrem hübschen, kindlichen Gesicht verengten sich. »Und wieso macht dein kleiner Affe das?«
    Renie wirbelte herum und sah, daß !Xabbus Glieder sich unter heftigen Zuckungen versteiften. Er hatte Schüttelkrämpfe.
    »O Gott«, schrie sie. »So hilf doch jemand!«
    Nirgendwo in der unfertigen Landschaft regte sich etwas. Sie waren allein.

 
Kapitel
     
Die Dunkelheit in den Leitungen
     
    NETFEED/WERBUNG:
    Onkel Jingle braucht DICH!
    (Bild: in Reih und Glied marschierende solarbetriebene SonnenscheinSoldaten)
    SonnenscheinSoldaten:
    »Zugegriffen, sapperlot!
    Bei Onkels mega Angebot!
    Links! Zwei, drei, vier …!«
    (Bild: Onkel Jingle an der Spitze der Parade)
    Jingle: »Kids, hier ist wieder euer jingliger Onkel Jingle-Jangle, und ich muß euch sagen, ich heule bald vor lauter Ach und Weh. Wir haben diesen Monat das Große Gaudigemetzel mit tollen Supersonderangeboten, und die ganzen ätzig-fetzigen Sachen, die ich euch immer in Onkel Jingles Dschungel zeige, sind total ruuuntergesetzt — wenn ihr nicht wißt, was das heißt, fragt eure Eltern! Aber trotzdem stehen hier noch jede Menge Sachen rum und blockieren mir die Regale. He! Pustekuchen! Ich kann nicht mal mehr meinen Wandbildschirm sehen! Also lauft schnell in euer nächstes Jingleporium und helft mir um Gottes willen, diese Sachen loszuwerden …! Die könnten runterfallen und mich zu Brei zerquetschen — oder Schlimmeres!«
     
     
    > Anneliese sagte: »Ein Anruf für dich.«
    Ihr weicher, schleppender Virginiadialekt war so vertraut, daß Decatur Ramsey ihn ein Weilchen in seinen Traum einbaute. Seine einstige Assistentin gesellte sich zu ihm, während er am Berghang stand und über das neblige Tal hinwegblickte. Etwas lauerte dort unten in den grau verschleierten Tiefen. Ramsey wußte nur, daß es hinter ihm her war und daß er keinen Wert darauf legte, ihm zu begegnen. Er überlegte, ob es das war, was Anneliese ihm sagen wollte, doch als er sich umdrehte, um sie zu fragen, war der Nebel gestiegen und nahm ihm die Sicht.
    Der Traum brach ab und beförderte ihn in die prosaische Dunkelheit seines Schlafzimmers, und damit verschwand auch Annelieses rundes, ernstes Gesicht. Aber ihre Stimme blieb da und teilte ihm abermals mit, daß er einen Anruf habe. Ramsey setzte sich auf und schnalzte mit den Fingern, um die Uhrzeit zu sehen, die ihm sein System gehorsam in leuchtend blauen Ziffern auf die Wand projizierte – 03:45.
    Annelieses Ton wurde ein wenig strenger und gewann jene stählerne Liebenswürdigkeit, die wie kaltes Wasser durch viele Generationen weiblicher Südstaatenstimmen floß. Irgendwie seltsam, daß ihre Stimme ihm immer noch Anrufe und andere häusliche Dinge mitteilte, obwohl sie schon jahrelang nicht mehr für ihn arbeitete. Er wußte nicht einmal, wo sie inzwischen lebte – geheiratet, in einen anderen Bundesstaat gezogen, eine vage Erinnerung daran, daß sie ihm zur Geburt ihres ersten Kindes eine Anzeige geschickt hatte …
    Ramsey rieb sich die Augen. Sein Gesicht fühlte sich wie eine schlecht sitzende Maske an, aber er war endlich wach. Fast vier Uhr morgens – wer in aller Welt konnte da anrufen? »Annehmen.«
    Annelieses mahnende Stimme brach mitten im Satz ab, aber nichts kam an ihrer Stelle. Oder wenigstens hörte Ramsey nichts – keine Stimme, kein Summen, kein elektrostatisches Knistern und Ticken. Aber dennoch fühlte er etwas, als stände er an einem offenen Fenster vor der unendlichen Leere des Weltraums.
    »Olga? Frau Pirofsky? Bist du das?«
    Niemand meldete sich, aber das Gefühl der wartenden Leere ging nicht weg. Es war, als ob das Nichts selbst ihn angerufen hätte, als suchte die Dunkelheit in den Leitungen nach einer Stimme, um etwas zu sagen.
    »Hallo? Ist da jemand?«
    Wieder zog sich die Zeit in die Länge, Sekunde um Sekunde um Sekunde. Ramsey saß mittlerweile aufrecht im

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