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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Information an das heranzukommen, was auf der anderen Seite war. ›Renie‹, flehte ich, › !Xabbu , hört ihr mich denn nicht? Ich bin’s, Martine. Wir brauchen eure Hilfe. Könnt ihr mich fühlen?‹
    Der graue Himmel wurde größer und heller, bis sein fahles Licht die Leere hinter meinen Augen aufleuchten ließ wie der Blitz eines Fotoapparats. Meine Ohren registrierten die warnenden Schreie meiner Begleiter, aber ich konnte nicht auf sie achten. Eine Stimme kreischte gellend, William komme, aber ich hatte für nichts anderes mehr Sinn, als durch dieses unfaßbare Stecknadelloch zu gelangen, dieses eine schwarze Pünktchen in der unendlichen Weiße. Ich dachte schon, der Kopf würde mir zerspringen, so sehr strengte ich mich an, meine Gedanken dünn genug zu machen, um sie hindurchzuschicken und die beiden Seiten des Universums mit einem Faden zu verbinden, der so zart war wie Wolkenseide, so fein wie die Phantasie selbst.
    In dem Moment berührte mich etwas, berührte mein innerstes Wesen. Etwas entfaltete sich in der Information wie eine Blütenknospe, die zu einer ganzen Galaxie aufblüht. Ich streckte meine leibhaftige Hand nach meinen Gefährten aus, um sie mitzunehmen, mit hindurch. Das Strahlen verstärkte sich, bis ich nichts anderes mehr wahrnehmen konnte.
    Doch als wir uns durch das Licht stürzten, kam ein Schatten mit uns…«

    Code Delphi. Hier aufhören.«

 
Kapitel
     
Die Feder der Wahrheit
     
    NETFEED/LEUTE VON HEUTE:
    Lust am Gruseln — das Vermächtnis des E.M. Barnes
    (Bild: Barnes’ Gesicht über dem Feuertunnel aus »Dämonenspielplatz«)
    Off-Stimme: Elihu McKittrick Barnes, der gestern im Alter von 54 Jahren an Herzversagen starb, wird den meisten wegen der von ihm entworfenen nervenzerfetzend schnellen und effektreichen Spielwelten wie »Dämonenspielplatz« und »Crunchy« in Erinnerung bleiben, aber er war auch einer der weltweit bedeutendsten Sammler von Oz-Kultobjekten.
    (Bild: Archivaufnahmen — Figuren aus dem Film »Der Zauberer von Oz« auf dem Gelben Steinweg)
    Der Film aus dem 20. Jahrhundert ist nach gut einhundertfünfzig Jahren immer noch sehr beliebt, und Mitglieder von Königshäusern und andere berühmte Persönlichkeiten zählten und zählen zu den Besitzern von Sammlerstücken aus dem Film. Barnes war nur der bislang letzte, der ein Paar mit Pailletten besetzte Schuhe sein Eigen nannte, die sogenannten Ruby Slippers, die von einer der Figuren im Film getragen werden, aber er betrachtete sie als das Prunkstück seiner Sammlung. Barnes starb allein und ohne Erben, so daß es mit Sicherheit eine Weile dauern wird, bis die »roten Halbschuhe« einen neuen Besitzer finden.
    (Bild: Daneen Brill, Generaldirektor des Gear Lab)
    Brill: »Er lebte wie ein Programmier, er starb wie ein Programmier. Ein Glück, daß das Reinigungspersonal die Tür per Handabdruck öffnen konnte, sonst wüßten wir immer noch nicht Bescheid …«
     
     
    > Auf seinem taumelnden Gang durch die rote Wüste wurde es Orlando völlig klar, warum die alten Ägypter die Sonne zum obersten Gott erhoben hatten. Ihr weiß loderndes Auge sah alles, und ihrer feurigen Berührung konnte man genausowenig entrinnen. Die Hitze der Sonne umfing sie, drückte sie nieder; wenn sie in den roten Dünen stolperten und hinfielen, war sie ein ungeheures Gewicht auf ihrem Rücken, das sie daran hindern wollte, jemals wieder aufzustehen. Die ägyptische Sonne war ohne Frage ein Gott, ein Gott, den man besänftigen, verehren und vor allen Dingen fürchten mußte. Bei jedem Einatmen spürte Orlando, wie der eifernde Gott auf ihn eindrang und ihm seinen sengenden Hauch in die Kehle blies. Bei jedem Ausatmen spürte er, wie ihm dasselbe Wesen die Feuchtigkeit aus den Lungen saugte und die Schleimhäute trocken und rissig wie altes Leder machte.
    Die ganze Erfahrung wirkte eigenartig persönlich. Er und Fredericks waren zu einer Sonderbehandlung auserkoren worden, und genau wie ein Folteropfer nach einer Weile eine tiefe, unbeschreibliche Beziehung zum Folterer entwickelt, so verspürte Orlando inzwischen eine seltsame Verbundenheit mit eben der Elementargewalt, die dabei war, ihn umzubringen.
    Schließlich, ging es ihm durch den Kopf, war es quasi eine Ehre, von einem Gott ermordet zu werden.
     
    Diese ganze Weisheit war die Frucht nur eines halben Tages. Sie gaben sich vor der noch hoch am Himmel stehenden Sonne geschlagen und schleppten sich zum Ufer hinunter, um sich dort an der flachsten Stelle des Nils ins

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