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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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den Kopf, dann langte er in die Tasche, holte einen Aufputscher heraus – Adrenax, der echte Hammer vom südamerikanischen Schwarzmarkt – und schluckte die Tablette trocken. Er gab ein bißchen Trommelmusik auf seinem inneren System dazu, einen Gegenpuls, um die Erregung noch ein bißchen zu steigern. Als der von einer Kopfhälfte zur anderen rauschende Rhythmus in der Lautstärke wummerte, die ihm zu stimmen schien, wandte er sich wieder den geschäftlichen Dingen zu. Er ließ das Anderlandfenster offen, aber schloß die Augen des Sims bis auf einen schmalen Spalt, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen, falls einer der anderen aufwachen sollte. Dann lehnte er sich in seinem Sessel zum Denken zurück.
    Seine Hand wanderte zu seiner T-Buchse; schwielige Fingerkuppen strichen über die glatte Umgebung des Shunts. Es gab so viele Rätsel und so wenig Zeit, sich mit ihnen zu beschäftigen. Vielleicht war Dulcys Idee doch gar nicht so schlecht. Er selbst konnte nicht neun oder zehn Stunden am Tag in Simulation verbringen, nicht einmal wenn er sonst nichts zu tun gehabt hätte, und der Alte Mann würde ihn mit Sicherheit nicht ewig unbehelligt lassen.
    Und Dulcy selber? Seine gute Meinung von ihr, die durch die Promptheit, mit der sie diesen Idioten Celestino erledigt hatte, noch besser geworden war, hatte sich mehr als nur ein bißchen verschlechtert, als sie darauf beharrt hatte, nach New York zurückzufliegen. Und alles wegen einer Katze – einer Katze! Das größte Wunder der Technik, das man sich vorstellen konnte, dieses Otherlandnetzwerk, eine Simulation, die realer war als das RL selbst, und diese Frau brachte es nicht über sich, ihre Katze noch ein, zwei Wochen länger dieser bleichen blonden Schlampe unter ihr zu überlassen. Eine solche Dummheit rechtfertigte es fast, Frau Anwin von der Liste geschützter Arten zu streichen.
    Noch ärgerlicher war, daß er gerade viele Tausende seiner persönlichen, eisern vor dem Alten Mann geheimgehaltenen Kredite in ein neues Büro in Cartagena für sie beide gesteckt hatte, und jetzt mußte er sich statt dessen darüber den Kopf zerbrechen, ob ihr Heimsystem eine derartige Bandbreite einigermaßen bewältigen konnte. Als sie erklärt hatte, sie müsse nach Hause fliegen, hatte er ernsthaft erwogen, sie einfach umzubringen und die ganze Überwachungsarbeit in Anderland selbst zu machen. Aber das wäre natürlich nicht praktikabel gewesen – jedenfalls nicht unter den gegenwärtigen Umständen.
    Ein aufgeschobenes Vergnügen also.
    Doch besonders wurmte es ihn, von einer Frau abhängig zu sein. In der Regel vertraute er niemandem mehr als ein kleines Bruchstück einer Operation an und behielt sämtliche Fäden selbst in der Hand. Wenn man Aufgaben delegierte, mußte man immer eine Signalverschlechterung in Kauf nehmen. Das sah man zum Beispiel daran, wie dieser Trottel von einem Gearmann beinahe die ganze Sache hätte hochgehen lassen.
    Na ja, Celestino war jetzt Würmerfraß, eine Aufgabe, die selbst er nur schwer vermasseln konnte.
    Dread zündete sich eine dünne Corriegas-Zigarre an – für seinen Geschmack eine der wenigen Entschädigung dafür, in Südamerika festzusitzen – und dachte über seine Optionen nach. Er mußte bereit sein, wenn der Alte Mann einen neuen Auftrag für ihn hatte; das war auf jeden Fall der falsche Zeitpunkt, um Zögerlichkeit oder Renitenz an den Tag zu legen. Des weiteren mußte er den Anderlandsim am Laufen halten, entweder persönlich oder mit Hilfe zuverlässiger Mitarbeiter. Bis jetzt entsprach Dulcy Anwin dieser Kategorie, aber noch jemand anders dazuzuholen, würde bloß zusätzliche Organisationsarbeit für ihn bedeuten, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen, zusätzliche mögliche Punkte, an denen etwas fatal danebengehen konnte …
    Er wollte sich diese Entscheidung für später aufheben, beschloß er. Wenn Dulcy ihn in vier Stunden ablöste und wenn die Rückstände der Stimulanzien in seinem Organismus es zuließen, würde er versuchen, ein wenig zu schlafen, und dann vielleicht in einer besseren geistigen Verfassung sein, um etwas so Wichtiges zu beurteilen.
    In der Zwischenzeit jedoch mußte er mit seinen eigenen Recherchen weiterkommen. Was die in der Anderlandsimulation gefangenen Leute entdeckt hatten, verriet ihm bis jetzt sehr wenig über die Pläne des Alten Mannes; doch was sie unabsichtlich über sich selbst enthüllt hatten, war unmittelbarer verwertbar. Wenn er beschloß, andere Simlenker hinzuziehen, konnte

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