Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
er zum Beispiel probieren, ein zweites Mitglied dieser fröhlichen kleinen Flußreisegruppe auszutauschen, falls sein gegenwärtiger Infiltrant durch den nächsten Angriff von Riesenfischen oder sonstwas aus dem System katapultiert wurde.
Doch noch mehr interessierte es ihn zu erfahren, wer diese Leute waren und wieso der mysteriöse Sellars sie zusammengebracht hatte, und von der ganzen Schar hatten die Afrikanerin und ihr Freund die oberste Priorität. Die anderen im Auge zu behalten, war kein Problem, aber bei Renie Soundso konnte es gut sein, daß sie offline befördert worden war, und in dem Fall war sie jetzt in der Tat ein außerordentlich loser Faden.
Dread senkte die Intensität der Rhythmusspur auf ein Niveau, das konzentriertem Nachdenken ein wenig förderlicher war, und ließ einen Rauchring zu der niedrigen weißen Decke emporschweben. Das Zimmer war fensterlos und gehörte zu einem nur halb belegten Bürokomplex im äußeren Ring von Cartagena, aber es verfügte über Datenleitungen mit hoher Bandbreite, und etwas anderes interessierte ihn nicht.
Diese Renie war Afrikanerin, das hätte er allein schon an ihrem Akzent erkannt. Aber irgend jemand hatte gesagt, ihr Gefährte sei ein Buschmann, und eine kurze Überprüfung ergab, daß die meisten verbliebenen Angehörigen dieses Volkes in Botswana und Südafrika lebten. Das mußte nicht bedeuten, daß die Frau nicht ganz woanders her sein konnte, daß sie sich nicht online kennengelernt hatten, aber er tippte darauf, daß sie beide aus derselben Gegend waren.
Botswana und Südafrika also. Er wußte sonst nicht viel über sie, aber er wußte, daß ihr Bruder im Koma lag, und wenn man dazu ihren Vornamen mit den möglichen Varianten eingab, mußte das die Möglichkeiten erheblich einengen.
Aber er würde es nicht selbst machen. Nicht die Laufarbeit. Da der Job wahrscheinlich im südlichen Afrika zu erledigen war, würde er Klekker und seine Kumpane damit betrauen, jedenfalls bis sie eine heiße Spur gefunden hatten. Danach wußte er nicht so recht: Klekkers Männer waren Leute fürs Grobe, was manchmal gewiß recht praktisch war, aber dies war eine sehr heikle Situation. Er würde sich entscheiden, wenn er mehr wußte.
Dread blies einen weiteren Rauchring in die Luft, dann verwedelte er ihn mit der Hand. Die Wirkung der Weckamine hatte eingesetzt, und zusätzlich zu dem Energieschub fühlte er das blinde, dumpfe Ziehen im Unterleib und hinter den Augen, das seit der Nacht, in der er sich die Stewardeß vorgenommen hatte, nicht mehr aufgetreten war. Es war, wie er wußte, ein Drang, der bald stärker werden würde, aber er sah nicht, woher er die Zeit nehmen sollte, jetzt auch noch auf die Jagd zu gehen. Er war dicht an der größten Sache aller Zeiten dran, und dieses eine Mal hatte er vor, dem Ratschlag des Alten Mannes zu folgen und das Gelingen der Arbeit nicht für seine privaten Lüste aufs Spiel zu setzen.
Dread grinste. Der alte Dreckskerl konnte stolz sein.
Da kam ihm ein Gedanke. Er legte sich eine Hand in den Schritt und drückte grübelnd. Es war keine gute Zeit zum Jagen – wenigstens nicht im RL. Aber diese Simulation war so realistisch …
Was wäre es wohl für ein Gefühl, in Anderland zu jagen? Wie genau würden diese Sims das Leben nachahmen – vor allem wenn sie es verloren?
Er drückte abermals und drehte dann die Trommeln in seinem Kopf wieder auf, bis er sie in seinen Backenknochen dröhnen fühlte, der Soundtrack für einen spitzenmäßigen Dschungelfilm voller Gefahren, die im Finstern lauerten. Einmal entfacht, fing die Idee an zu brennen.
Was wäre es wohl für ein Gefühl?
Kapitel
Millionen auf dem Marsch
NETFEED/NACHRICHTEN:
Konflikt zwischen den USA und China über Antarktika
(Bild: Feierliche Unterzeichung des Sechsmächteabkommens)
Off-Stimme: Wenige Monate nach der Unterzeichnung der Züricher Vereinbarung streiten sich zwei der Sechs Mächte schon wieder um Antarktika.
(Bild: die US-Botschaft in Ellsworth)
Chinesische und amerikanische Unternehmen , beide Inhaber von UN-Konzessionen zur kommerziellen Ausbeutung des Landes, liegen im Streit darüber, wer die Schürfrechte für die vermuteten reichen Erzvorkommen in Wilkesland besitzt. Letzte Woche kam es zu Spannungen, als zwei chinesische Forscher verschwanden, und von den chinesischen Medien wurde der Vorwurf erhoben, sie seien von US-Arbeitern gekidnappt oder gar ermordet worden …
> »Kann ich reinkommen?« fragte eine Stimme in
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