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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hatten die Ameisen nichts als kahlgefressene Stengel und hier und da winzige, unkenntliche Materieteilchen hinterlassen.
    Cullen, der bergan zum Stock vorausging, war seit Renies Ausbruch still – wahrscheinlich eher, weil er sie für eine unberechenbare Verrückte hielt, vermutete Renie, als weil er ihrem Urteil über die Ereignisse traute.
    Sie wußte nicht einmal genau, was sie selber glauben sollte. Hatten sie wirklich miterlebt, wie eine Frau auf brutale Weise von riesigen Ameisen getötet worden war, oder hatten sie lediglich eine Simulation ablaufen sehen, die ihnen die Zerstückelung eines Scheinmenschen durch Scheininsekten vorgespielt hatte, wobei der echte Mensch aus dem Puppenkörper hinausbefördert worden war wie Stephen oder einer seiner Freunde, wenn sie in einem Kampfspiel verloren?
    Das letzte Mal freilich, als Stephen bei einem Online-Spiel mitgemacht hatte, war etwas anders gelaufen, und er war nicht mehr zurückgekommen. Wer konnte da sicher sagen, ob Lenore heil ins RL zurückgefunden hatte oder ob Renie oder !Xabbu oder der junge Entomologe, der jetzt verbissen vor ihnen herstapfte, ein ähnliches Unglück überleben würde?
    !Xabbu kam eine gewundene Ranke heruntergekraxelt, von der aus er kurz Ausschau gehalten hatte. »Die Ameisen sind weitergezogen. In der Nähe des Stockes sind keine zu sehen.«
    Renie nickte. »Eine Sorge weniger. Ich hoffe, eines dieser Flugzeuge funktioniert noch – zurück zum Fluß ist es ein sehr weiter Weg, und selbst wenn wir nicht nochmal auf die Ameisen stoßen, habe ich keine Lust, das Risiko einzugehen.«
    !Xabbu blickte nachdenklich. »Wir wissen, daß mit diesem Netzwerk etwas nicht stimmt, Renie. Und jetzt sieht es so aus, als wären noch andere davon betroffen, nicht bloß wir.«
    »So sieht es in der Tat aus.«
    »Aber was könnte die Ursache sein? Unsere Freunde konnten nicht aus diesem Anderland hinaus – konnten nicht offline gehen, meine ich –, und jetzt können diese Leute hier das auch nicht, und sie haben mit unserer Suche nichts zu tun, soweit ich sehen kann.«
    »Irgendwas an dem ganzen System spinnt total.« Renie zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, was. Wir haben nicht genug Informationen. Vielleicht werden wir nie genug Informationen haben, denn nach dem, was Sellars sagte, hat es ein System wie dieses noch nie gegeben.«
    »Oh, Scheiße!« Cullen war auf der Kuppe des unteren Hügels stehengeblieben. Vor ihm lag aufgebrochen und geplündert der Stock.
    Die großen Fenster auf der ganzen Vorderseite waren eingedrückt worden, wahrscheinlich vom bloßen Gewicht des Ameisenschwarms.
    Die Ameisen hatten offenbar völlig wahllos alle möglichen Gegenstände herausgeholt, aber viele einfach liegenlassen: Der Felsvorsprung vor dem Gebäude war mit virtuellen Dingen von drinnen übersät, von denen Wandstücke, Möbelteile und Exponate aus dem Museum noch am ehesten zu erkennen waren. Auch unappetitlichere Überreste, blutlose Stücke der simulierten Körper, die den menschlichen Bewohnern des Stocks einst gehört hatten, waren über die ganze Landschaft verstreut. Von den ursprünglichen Besitzern abgerissen oder abgeschnitten sahen sie weniger real aus als vorher im Ganzen eines Sims, wie versprengte Puppenteile, aber immer noch gräßlich genug. Cullen starrte dermaßen trostlos darauf, daß man meinen konnte, er würde sich nie wieder von der Stelle bewegen.
    Renie nahm ihn am Arm und zog ihn weiter. Sie schritten durch eines der Gleittore des Hangars, das mit roher Gewalt aufgebogen worden war und so als Einlaß für sie überreichlich Platz bot. Jetzt war es Renie, der das Herz kalt und schwer wurde. Vielleicht wegen der Ähnlichkeit der Flugzeuge mit Insekten war die kleine Luftflotte des Stocks von der Eciton-Armee in Fetzen gerissen worden. Aus den wenigen erkennbaren Teilen, die noch übrig waren, hätte man nicht einmal einen Liegestuhl zusammenbasteln können, von einem Flugapparat ganz zu schweigen.
    Renie hätte heulen können, aber sie durfte sich nicht gehenlassen. »Gibt es noch andere Flugzeuge?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Cullen tonlos. »Angelas Käfer vielleicht.«
    »Was ist das? Wo ist er?«
    »Renie?« !Xabbu stand am Hangareingang und blickte auf den mit Trümmern besäten Hang hinaus. Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang. »Renie, hilf mir.«
    Erschrocken drehte sie sich um und lief zu ihm. Etwas sehr Großes schritt geradewegs den Hang hinauf in ihre Richtung, ein hellgrünes Ding von der Größe eines

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