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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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die Bootsstange wie einen Wurfspeer und sauste am Strand entlang. Er sprintete auf eine Landzunge, weil er hoffte, mit dem langen Stengel vielleicht bis zu Fredericks hinzureichen, doch als er an ihrer Spitze stand, war klar, daß er auch mit drei solcher Stangen nicht in der Lage gewesen wäre, die Distanz zu seinem Freund zu überbrücken. Das Blatt kreiste einen Augenblick lang in einem Strudel zwischen der schnelleren Strömung und dem kleinen Stück ruhigeren Wassers hinter der Landzunge. Orlando blickte zu seinem Freund hinüber, dann zurück zu T4b und Sweet William, die immer noch fern und klein am Strand auf ihn zugelaufen kamen. Er drehte sich um, sprang mit stolpernden Sätzen die Landzunge hinunter und warf sich aus vollem Lauf in den Fluß.
    Das war mehr als gewagt, auch wenn das Wasser einigermaßen warm war, denn Orlando hatte sich völlig verausgabt. Er fragte sich, was wohl mit seinen Beinen los war (die er nicht mehr fühlte), als Fredericks sich vorbeugte und die treibende Bootsstange aus dem Wasser fischte. Orlando kam gerade zu der Erkenntnis, daß es für einen todkranken Menschen ein ziemlicher Umweg war, in ein virtuelles Universum zu reisen, nur um dort zu ertrinken, als das von dem Hundertfüßler zerkaute Ende der Stange haarscharf neben seinem Kopf ins Wasser klatschte.
    »Faß an!« schrie Fredericks.
    Er gehorchte, und mit Hilfe seines Freundes quälte er sich über den Rand des Blattes auf die Matte, an der er den Nachmittag über mitgeflochten hatte. Orlando hatte gerade noch die Kraft, sich triefend und zitternd vor dem Abendwind in eine Ecke zu kauern, dann trug der Fluß sie vom Ufer und von ihren beiden verdutzten Kameraden davon.
     
     
    > »Werde glücklich damit, Skouros«, sagte die Polizeiobermeisterin. »Der Fall Merapanui ist soeben auf dein System übertragen worden.«
    »Danke. Du bist ein Schatz.« Calliope Skouros sagte das nicht so, als ob sie es meinte, und um jeden Verdacht weitergehender Absichten zu vermeiden, schob sie auch noch die Unterlippe vor. »Der Fall liegt schon so lange rum, daß er stinkt.«
    »Du wolltest ihn haben, jetzt hast du ihn.« Die Vorgesetzte machte mit einer Geste deutlich, daß sie ihre Hände in Unschuld wusch. »Gib ja nicht mir die Schuld für deinen Ehrgeiz. Geh noch ein letztes Mal alles durch, lad die Zeugen vor …«
    »Falls noch welche am Leben sind.«
    »… lad die Zeugen vor und guck, ob irgendwer sich an was Neues erinnert. Dann leg ihn wieder unter der Rubrik ›Ungelöst‹ ab, wenn du willst. Egal.« Sie beugte sich vor und verengte die Augen. Skouros fragte sich, ob die operative Hornhautveränderung nicht ganz die erhoffte Wirkung gezeitigt hatte. »Und bitte – ich spreche dabei im Namen der gesamten Polizei von Groß-Sidney – sag nicht, wir würden dir nie etwas geben.«
    Detective Skouros stand auf. »Vielen Dank für diesen Gummiknochen, o glorreiche Herrin. Nimm bitte mein untertänigstes Schwanzwedeln entgegen.«
    »Raus aus meinem Büro, aber ein bißchen plötzlich!«
     
    »Er gehört uns, und er dumpft«, verkündete sie. Die Druckventile an ihrem Stuhl zischten, als sie ihren muskulösen Körper auf die Sitzfläche fallen ließ.
    »Das heißt?« Stan lugte über den Rand seiner altmodischen gerahmten Brille hinweg. Alles an Stan Chan war altmodisch, sogar sein Name. Calliope fand es immer noch unbegreiflich, daß Eltern, die noch bei Trost waren, im einundzwanzigsten Jahrhundert ein Kind »Stanley« nennen konnten.
    »Dumpf pur. Schrott pur. Block pur. Ein beschissener Fall von A bis Z.«
    »Es muß sich um diese Merapanui-Sache handeln.«
    »Die und keine andere. Sie haben sie endlich von der Fahndung nach dem Real Killer abgekoppelt, aber das heißt nicht, daß die da drüben jemals daran gearbeitet hätten. Der Fall ist jetzt fünf Jahre alt, und ich glaube kaum, daß sie mehr damit gemacht haben, als ihn kurz angeschaut, die Parameter durch ihr Schema gejagt und ihn wieder rausgeschmissen zu haben.«
    Ihr Kollege preßte die Finger zusammen. »Und, hast du ihn schon gelöst, oder darf ich auch einen Blick drauf werfen?«
    »Sarkasmus steht dir nicht, Stan Chan.« Sie warf den Wandbildschirm an und rief dann einen Dateienbaum mit Ordnern auf. Die Falldatei sprang an die Spitze der Aktivitätenliste, und sie entfaltete sie auf dem Bildschirm. »Merapanui, Polly. Fünfzehn Jahre alt. Wohnhaft in Kogarah zum Zeitpunkt des Mordes, aber ursprünglich aus dem Norden. Eine Tiwi, glaube ich.«
    Er überlegte einen

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