Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Moment. »Von Melville Island – die Leute?«
    »Jo. Obdachlos, seit sie mit dreizehn von einer Pflegefamilie weglief. Nicht übermäßig viele Verhaftungen, und die hauptsächlich wegen Landstreicherei. Ein paarmal wegen Ladendiebstahl, zweimal Erregung öffentlichen Ärgernisses. Einmal zwei Tage eingebuchtet wegen versuchter Prostitution, aber die Unterlagen deuten darauf hin, daß das höchstwahrscheinlich zu Unrecht war.«
    Stan zog eine Augenbraue hoch.
    »Ich weiß, erstaunlich, wenn man’s bedenkt.« Calliope rief ein Bild auf. Das Mädchen in dem fleckigen Hemd, das sie anstarrte, hatte ein rundes Gesicht, das auf ihrem dünnen Hals zu groß wirkte, erschrockene weite Augen und dunkle Kräuselhaare, die auf einer Seite zu einem einfachen Knoten gesteckt waren. »Bei der Festnahme.«
    »Sieht ziemlich hell aus für eine Tiwi.«
    »Ich glaube nicht, daß es noch vollblütige Tiwis gibt. Schon von uns vollblütigen Griechen gibt es verdammt wenige.«
    »Ich dachte, dein Großvater war Ire.«
    »Wir haben ihn zum Griechen ehrenhalber ernannt.«
    Stan lehnte sich zurück und legte abermals die Fingerspitzen zusammen. »Und weshalb wurde der Fall von der Real-Killer-Crew ausgeschieden?«
    Calliope schnippte mit den Fingern, und die Fotos vom Tatort erschienen. Sie waren kein schöner Anblick. »Sei bloß froh, daß wir uns keine volle Immersion leisten können«, sagte Calliope. »Anscheinend erinnerten die Art und die Zahl der Wunden – beigebracht mit einem großen Jagdmesser wie einem Zeissing, glauben sie – in mancher Hinsicht an die Arbeit von Mister Real. Aber die Sache war drei Jahre vor dem ersten bekannten Real-Mord.«
    »Sonst noch Gründe, weshalb sie aussortiert wurde?«
    »Keine Ähnlichkeiten außer den Wunden. Alle Real-Opfer waren Weiße europäischer Herkunft, Mittelschicht oder obere Mittelschicht. Alle wurden an öffentlichen Orten ermordet, wo es wenigstens theoretisch irgendwelche elektronischen Sicherheitsanlagen gab, aber die Anlagen haben jedesmal aus irgendeinem Grund versagt. Tu deine Augenbraue wieder runter – natürlich ist es merkwürdig, aber es ist nicht unser Fall. Der hier ist unserer.«
    »Apropos, wieso wolltest du diese Merapanui-Sache überhaupt haben? Denn angenommen, daß hier nicht eine Prostituierte von einem Kunden umgelegt wurde, dann war es eine Affekthandlung, eine einmalige Sache. An Zufallsmorden haben wir eigentlich keinen Mangel, davon sind jeden Tag die Straßen voll.«
    »Ach ja?« Calliope hob einen Finger und sprang vor auf eine andere Serie von Tatortschnappschüssen, diese aus einem Winkel fotografiert, der das ganze Gesicht des Opfers zeigte.
    »Was ist mit ihren Augen?« fragte Stan nach einer Weile recht leise.
    »Keine Ahnung, aber das sind sie nicht. Das sind Steine. Der Mörder hat sie in die Augenhöhlen gesteckt.«
    Stan Chan nahm ihr die Squeezer ab und vergrößerte das Bild. Er blickte es eine Zeitlang stumm an. »Okay, es ist also nicht der übliche Überfall mit, hoppla, leider tödlichem Ausgang«, sagte er. »Aber damit ist es immer noch ein fünf Jahre zurückliegender Mord, der kurzzeitig zu Unrecht Berühmtheit erlangte, weil es so aussah, als wäre der Täter möglicherweise ein wichtiger Killer, über den in sämtlichen Nachrichtennetzen lang und breit berichtet wurde. Tatsächlich jedoch, Skouros, ist es der Müll, den ein anderer Bulle liegengelassen hat.«
    »Kurz und bündig und dabei wunderbar plastisch. Ich mag deinen Stil, mein Held. Kannst du ’nen Partner gebrauchen?«
    Stan zog die Stirn kraus. »Ich nehme an, es ist besser, als hinter Cakedealern und Chargeheads sauberzumachen.«
    »Nein, ist es nicht. Es ist ein Scheißfall. Aber es ist unserer.«
    »Meine Begeisterung, Skouros, kennt keine Grenzen.«
     
    An Bürotagen fand sie es nie leicht, sich zu entscheiden, ob sie die Bahn nehmen oder mit dem schwachen E-Auto fahren sollte, das die Dienststelle für sie geleast hatte. Immerhin, auch wenn es wegen des dichten Stadtverkehrs mit dem Auto langsamer ging, war es doch auch deutlich leiser.
    Das Lesegerät trug ihr die Fallakte vor, wobei es einige der uraustralischen und asiatischen Namen der Zeugen phonetisch grotesk verhackstückte – nicht daß es viele Zeugen gegeben hätte. Der Mord war nahe eines Wabendorfes unter einem der Hauptabschnitte des Great Western Highway geschehen, aber wie bewohnt die Obdachlosensiedlung vor dem Mord auch gewesen sein mochte, als man die Leiche fand, war sie jedenfalls leer. Die

Weitere Kostenlose Bücher