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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ihm nützen sollte. Dies hier war reine Monstertöterarbeit, und von denen war Orlando einer der besten. Oder war es Thargor, der einer der besten war …?
    Mann, hör sich das einer an, dachte er verschwommen, während er die Stange wieder zur Abwehr hochnahm. Scharfe Dinge klackten im Dunkel des Hundertfüßlermaules. Ich weiß nicht mal mehr den Unterschied zwischen der einen Unwirklichkeit und der andern …
    Er führte einen Stoß nach dem Kopf, aber diesmal bekam er den Grasstengel nicht am Boden aufgepflanzt. Der Angreifer rammte dagegen an, und der lange Halm rutschte an dem schmutzigbraunen Rückenpanzer ab und verfing sich zwischen zweien der antretenden Beine wie ein Stock in den Speichen eines Fahrrads. Orlando hielt die Stange fest, die wegschnellte und ihn durch die Luft schleuderte; er landete so hart, daß ihm der Atem aus den Lungen gepreßt wurde. Die lange, vielbeinige Gestalt wendete auf der Stelle und bäumte sich mit ein paar riffelnden Vorwärtsschritten über ihm auf; ihre Greifer bogen sich nach innen wie zwei schnalzende Riesenfinger. Orlando krabbelte rückwärts, doch es war ein aussichtsloser Fluchtversuch.
    Der Hundertfüßler streckte sich noch höher, und seine Mordwerkzeuge klafften über Orlando wie eine grauenhafte industrielle Lochpresse. Fredericks’ ferne Stimme war jetzt ein hohles Schrillen, das sich rasch in einer anschwellenden Geräuschflut, einem mächtigen Sturm, einer langsamen Explosion verlor, aber für Orlando, der sich anstrengte, den schweren Stengel ein letztes Mal zu heben, war das alles irgendwo weit weg und sinnlos. In diesem Moment, wo die Zeit zu kriechen schien, hing der Tod über ihm. Das Universum hatte beinahe angehalten, wartete, daß die allerletzte Sekunde vertickte.
    Da war die Sekunde vorbei, und eine brausende Schwärze stürzte auf ihn ein. Ein kalter Donner krachte von oben herab, ein senkrecht niederstoßender Orkan, der ihn platt zu Boden quetschte und die Luft mit stechendem, blendendem Staub füllte. Orlando brüllte laut und erwartete, jeden Moment die giftigen Stacheln in seinen Körper schlagen zu fühlen. Etwas knallte an seinen Kopf, so daß ihm auch noch Sterne vor den Augen tanzten.
    Der Wind flaute ab. Die Dunkelheit lichtete sich ein wenig. Fredericks kreischte immer noch.
    Orlando öffnete die Augen einen Spalt weit. Er spähte in den wirbelnden Staub und wunderte sich, daß er in dieser Welt noch am Leben war. Steine, dick wie seine Schenkel, rollten an ihm vorbei, und eine unfaßbar riesenhafte schwarze Gestalt schwang sich wie ein negativer Engel über ihm gen Himmel. Dünn und wütend und vergleichsweise winzig wand sich etwas in seinen Klauen.
    Klauen. Es war ein Vogel, ein Vogel, so groß wie ein Passagierflugzeug, eine Rakete – größer! Der gewaltige Luftdruck von seinen Flügeln, der Orlando wie eine unsichtbare Säule niedergestampft hatte, wich urplötzlich, als der Vogel abdrehte und sich zu seinem Nest davonschwang, um den immer noch hilflos in seinen Klauen zappelnden Hundertfüßler an seine Jungen zu verfüttern.
    »Orlando! Orlando, he!« jammerte Fredericks leise in der Ferne, nichtig geradezu, wenn man gleichzeitig vor Augen hatte, wie der sichere, unausweichliche Tod am Abendhimmel entschwand. »Gardiner!«
    Er blickte zu den Felsen über dem Strand auf, wo Sweet William und T4b ihre Grasbündel fallengelassen hatten und staunend dem rasch davonfliegenden Vogel nachstarrten. Er drehte sich zu Fredericks und dem Boot um, doch sie waren fort.
    Ihm blieb fast das Herz stehen, bis er eine Zehntelsekunde später sah, daß sie nur nicht am erwarteten Ort waren, daß das neue Blattboot, das sie mit solchen Mühen gebaut hatten, auf einmal ein ziemliches Stück entfernt war. Es dauerte einen Moment, ehe er in seinem benommenen Zustand eins und eins zusammenzählte und begriff, daß das Blatt von den schlagenden Flügeln des Vogels aufs Wasser geweht worden war und jetzt langsam in die starke Strömung hinaustrieb. Allein an Bord sprang Fredericks hin und her, schwenkte die Arme und schrie, aber schon jetzt war seine Stimme kaum noch zu verstehen.
    Perplex schaute Orlando zu den Felsen hoch. Die beiden Figuren dort hatten endlich Fredericks’ Notlage erkannt und kamen, so schnell sie konnten, die moosige Böschung herunter, aber sie hatten mindestens eine Minute zu laufen, bevor sie da sein konnten, und Fredericks trennten nur noch Sekunden von der Strömung, die ihn ein für allemal davontragen würde.
    Orlando faßte

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