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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Cullens Anzug vor, dann zogen sie gemeinsam den verletzten Mann den schrägen Boden empor, der Öffnung und dem weiten Nachthimmel entgegen. Das Wasser war etwa schenkelhoch und stieg weiter.
    Renie arbeitete sich durch den verbeulten Ausstieg, beugte sich zurück und nahm Cullen fest in den Griff, bevor sie ihn in das jetzt hüfthohe Wasser hinauszog. Die Luft war eigentümlich geladen, knisternd wie bei einem Gewitter, aber der schwarze Himmel schien klar zu sein. Die Strömung zerrte an ihr, so daß sie sich dagegen anlehnen mußte, als !Xabbu herausgekrabbelt kam, aber der Fluß war überraschend flach; Renie vermutete, daß sie auf den Rand einer Sandbank oder eine andere Erhebung unter Wasser gestürzt waren. Was es auch war, der Fluß blieb die ganze Strecke bis zum düsteren Ufer flach. Stolpernd trugen sie Cullen an Land und ließen sich dann selber hinplumpsen.
    Renie hörte ein knarrendes Geräusch und schaute zum Flugzeug zurück, konnte aber nur eine aus dem Wasser ragende formlose dunkle Masse erkennen. Mit einem Ruck und einem eher hölzern als metallisch klingenden Ächzen gab der Schatten der Strömung nach, dann glitt er von der Bank ins Wasser.
    »Es ist weg«, sagte sie leise. Sie fing an zu zittern. »Das Flugzeug ist einfach gesunken.«
    »Aber wir sind woandershin übergewechselt«, bemerkte !Xabbu . »Sieh doch, die großen Bäume sind fort. Der Fluß hat wieder eine normale Größe.«
    »Die andern!« erinnerte sich Renie plötzlich. »Hallo! Hallo! Orlando? Seid ihr da irgendwo? Wir sind’s!«
    Das Land ringsumher wirkte flach und leer. Es kam keine Antwort als das plätschernde Murmeln des Flusses, und eine einsame Grille, die sich anscheinend bis zu diesem Moment beherrscht hatte, fing jetzt entschlossen an, ihr zweitöniges Lied zu sägen.
    Renie rief noch einmal, und !Xabbu stimmte mit ein, aber eine Reaktion erhielten sie nur von Cullen, der anfing zu murmeln und matt mit den Gliedern zu zucken. Sie halfen ihm, sich aufzusetzen, doch auf ihre Fragen gab er keine Antwort. In der Dunkelheit war schwer zu erkennen, ob er richtig bei Bewußtsein war oder nicht.
    »Wir müssen ihm Hilfe holen«, sagte sie. »Wenn das eine andere Simulation ist, herrschen hier vielleicht auch andere Bedingungen – vielleicht kann er offline gehen.« Aber noch während sie das sagte, hatte sie keine große Hoffnung und fragte sich, wem sie eigentlich etwas vormachen wollte. Sie und !Xabbu stellten Cullen auf die Füße und führten ihn die Uferböschung hinauf. Oben angekommen erblickten sie ein offenes Feld und in der Ferne zu Renies großer Freude ein Meer gelblicher Lichter.
    »Eine Stadt! Vielleicht sind Orlando und die andern dort hingegangen. Vielleicht war ihnen nicht klar, daß wir mit ihnen durchkommen würden.« Sie legte einen Arm um Cullen. !Xabbu ging ein paar Schritte voraus, und so stolperten sie durch niedriges Gestrüpp auf die Lichter zu. Er blieb stehen, um die Pflanzen zu ihren Füßen zu befühlen.
    »Sieh mal, das ist Mais.« Er schwenkte einen Maiskolben vor ihrem Gesicht. »Aber alle Stengel sind niedergetrampelt worden, als ob ein Elefant oder eine Antilopenherde hier durchgekommen wäre.«
    »Kann ja sein«, sagte sie, wobei sie sich bemühte, das Klappern ihrer Zähne zu unterdrücken. »Und weißt du was? Solange es keine Rieseninsekten waren, ist mir völlig egal, was es war.« Sie sah sich um. Die flachen Felder verloren sich auf allen Seiten im Dunkeln. »Aber es wäre ganz schön zu wissen, was das hier darstellen soll, finde ich.«
    !Xabbu war ein gutes Stück vor den beiden anderen abermals stehengeblieben. »Was dieses Maisfeld flachgelegt hat, hat auch den Zaun hier umgeworfen«, sagte er. »Guck.«
    Renie ging zu ihm und ließ Cullen sich hinsetzen, was der Entomologe wankend und kommentarlos tat. Vor ihnen in dem verwüsteten Maisfeld lag ein schwerer Maschendrahtzaun, ursprünglich wohl drei bis vier Meter hoch, wie ein schlaffes Band. »Na, wenigstens müssen wir nicht erst ein Tor suchen.« Sie bückte sich nach einem rechteckigen Metallschild, das immer noch an einer verbogenen Schraube hing. Als sie es losgedreht hatte, hielt sie es so, daß das Licht das Präriemondes darauf fiel.
    »UNBEFUGTE EINDRINGLINGE WERDEN HINGERICHTET« verkündete es in klotzigen schwarzen Lettern. Darunter stand kleiner gedruckt: »Auf Befehl Seiner Weisen Majestät, des Einzigen Königs von Kansas.«
     
     
    > »Du bist dran«, sagte Long Joseph. Er blickte mit unstet schweifenden

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