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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wären. Obwohl Martine und !Xabbu Renie beipflichteten und sogar Florimel widerwillig einräumte, es könnte geraten sein, noch ein bißchen weiter zu kundschaften, machten Emily und T4b so heftige Einwände, daß sie einen Kompromiß erzwangen: Sollte sich nichts Wichtiges ergeben haben, wenn nach Martines unfaßbarem, aber bis dahin recht zuverlässigem Zeitgefühl eine halbe Stunde vergangen war, würden sie umkehren und ihre Suche in weniger nervenaufreibenden Gefilden fortsetzen.
    Als der kleine Trupp auf den Laufsteg hinaustrat, der hinreichend breit und von starken Geländern gesichert war, ging es T4b so offensichtlich schlecht, daß Renie ihre Unnachgiebigkeit fast schon bereute. Sie erinnerte sich, was Martine von dem Luftfluß erzählt hatte – wie schwer T4b zu bewegen gewesen war, zusammen mit den anderen abzuspringen und sich den Windströmungen zu überlassen –, und sie fragte sich, ob er vielleicht eine Phobie hatte.
    Ach was, dachte sie. Besser, wir finden’s jetzt raus und nicht irgendwann später, wenn’s vielleicht um die Wurst geht.
    Der furchterregende Kampfroboter hielt sich strikt in der Mitte der drei Meter breiten Bahn, ohne auch nur einen Schritt nach links oder rechts abzuweichen, und trat so vorsichtig auf dem felsenfesten Boden auf, als hätte er ein Trampolin unter sich. Er wies Renies Versuche, ihm aufmunternd zuzureden, mit tierischen Unmutslauten ab.
    Sie waren kaum hundert Schritt gegangen, als Martine auf einmal Renie am Ellbogen faßte. »Ich fühle etwas«, flüsterte sie.
    Renie winkte den anderen, stehenzubleiben. »Sag.«
    »Da ist etwas … jemand. Vielleicht mehrere. Ein Stück vor uns.«
    »Ein Glück, daß wir dich haben, Martine.« Renie überlegte. Der Holzsteg war denkbar ungünstig, wenn es zu einem Kampf kam, aber schließlich war es ihr erklärtes Ziel, anderen Leuten zu begegnen und etwas über dieses Environment zu erfahren. Wieso sollte es überhaupt jemand sein, der ihnen feindlich gesonnen war? Es sei denn, es war die falsche Quan Li … Das ließ Renie abermals zaudern – jetzt, wo sie alle müde und niedergeschlagen waren, wäre es in der Tat furchtbar, es mit dem geschmeidigen, katzenartigen Wesen zu tun zu bekommen, das sie in der letzten Simulation zu fünft nicht hatten niederringen können. Aber es war wohl unwahrscheinlich, daß ihr Feind sich bei einem Vorsprung von zwei Tagen hier in diesem gottverlassenen Winkel herumtrieb, wenn er oder sie das Zugangsgerät der Gralsbruderschaft hatte.
    Nein, Renie war sich sicher, daß die Person, hinter der sie her waren, sich entweder ganz aus dem Staub gemacht oder sich wenigstens einen angenehmeren Teil der Simulation gesucht hatte. Sie würde ihnen nicht auflauern, weil sie gar nicht ahnen konnte, daß sie kamen.
    Florimel stimmte dem zu, wenn auch nicht ohne gewisse Vorbehalte. Nach einer kurzen geflüsterten Auseinandersetzung setzten sie ihren Weg fort, diesmal ohne jeden weiteren Wortwechsel.
    Sie hatten so etwas wie eine Insel erreicht – eine Stelle, wo sich die Geländer an beiden Seiten nach außen bogen und die Gehfläche sich zu einem großen Oval verbreiterte, so daß die ganze Figur von oben wie die Silhouette einer Python mit einer halbverdauten Mahlzeit aussehen mußte –, als Martine abermals Renies Arm berührte.
    Die Insel war deutlich als ein Ort der Unterhaltung und des geselligen Beisammenseins gedacht. Die Geländer waren hier höher, und ringsherum standen überall an den Rändern, außer quer zur Laufrichtung, hohe, staubige Schränke; die offene, mit Teppichen ausgelegte Fläche war mit prall gepolsterten Sofas und Sesseln vollgestellt. Obwohl ihr Herz vor Furcht und gespannter Erwartung raste, malte Renie sich im Geiste aus, wie die vornehmen Herren und Damen der Ballsäle hier so etwas wie gepflegte Picknicks abhielten – vielleicht bei Tageslicht, wenn sie unten den Fluß dahinströmen sehen konnten.
    Martine deutete auf einen Schrank an einem Geländer, einen riesigen Kasten mit kunstvollem Schnitzwerk, dessen Messingbeschläge mittlerweile altersschwarz waren. Sie schlichen leise heran. Als sie sich mit ein paar Meter Abstand im Halbkreis darum postiert hatten, sagte Renie laut: »Wir wissen, daß du da drin bist. Komm raus, wir werden dir nichts tun.«
    Eine Weile geschah gar nichts, dann knallten plötzlich die Türen so blitzartig auf, daß eine aus den oberen Angeln brach und schief hängenblieb. Emily kreischte. Die Gestalt, die aus dem düsteren Inneren sprang,

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