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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weiß.«
    »Das habe ich nicht vergessen«, entgegnete Florimel.
    »Was machen wir eigentlich, wenn wir sie oder ihn finden?«
    Florimel probierte gerade einen ehemals farbenprächtigen Überwurf an, obwohl ihre Temilúner Bäuerinnentracht nach dem, was Renie an Zekiel und Sidri gesehen hatte, in dieser Welt keinerlei Aufsehen erregen würde. »Wenn wir den Spion finden, und er merkt nicht, daß wir hier sind, werden wir ihn zu überrumpeln versuchen«, sagte sie. »Wenn er es doch merkt, können wir alle Pläne vergessen. Er ist niemand, der sich geschlagen gibt. Wir werden ihn mit Gewalt zur Strecke bringen müssen.«
    Renie graute vor dieser Aussicht. »Du bist dir anscheinend sehr sicher, daß es ein Er ist.«
    Florimel schob die Unterlippe vor. »Es ist ein Mann, wobei mir das erst klar wurde, als wir mit ihm kämpften. Ein solcher Haß fühlt sich anders an, wenn er von einer Frau kommt.«
    »Wer auch immer hinter der Maske stecken mag, sie – oder er – hat mir jedenfalls eine Todesangst eingejagt.«
    Florimel nickte ernst. »Er hätte uns alle umgebracht, wenn es ihm in den Kram gepaßt hätte, ohne eine Sekunde zu zögern.«
    »Renie!« rief !Xabbu von der anderen Seite des Kisten- und Kastenberges. »Komm bitte mal!«
    Sie ließ die deutsche Frau allein einen Koffer auspacken, der voll langer Abendhandschuhe zu sein schien. !Xabbu hockte auf dem offenen Deckel einer großen Reisetruhe. T4b stand steif in einer weiten grauen Kutte mit einem weißgrünen geflochtenen Gürtel um die Taille vor ihm. Sein Roboterhelm wirkte vollkommen deplaziert, so als wäre ein UFO auf einem Berggipfel gelandet, doch als sie ihm riet, den Helm abzusetzen, stellte sich der junge Mann taub.
    »Sie hat recht«, sagte !Xabbu ruhig. »Wir dürfen nicht zuviel Aufmerksamkeit erregen. Unser Leben steht auf dem Spiel.«
    T4b blickte hilflos zu Emily hinüber, doch die grinste nur und amüsierte sich über sein Dilemma. Mit einem Achselzucken, das seine Kapitulation vor einem ungerechten Universum auszudrücken schien, nahm er behutsam den Helm ab. Seine Haare klebten in lebensecht verschwitzten Locken um sein langes, mürrisches Gesicht. Auf beiden Seiten lief über den Ohren ein langer weißer Streifen durch die schwarze Haarpracht.
    »Coyotestreifen«, lautete seine trotzige Antwort auf Renies Frage – offenbar der letzte Schrei in der Hisatsinom-Mode.
    »Wart mal, ich reib dir ein bißchen Erde ins Gesicht«, sagte sie.
    T4b packte ihre Hand. »Knall durch oder was?«
    »Willst du wirklich in diesem altertümlichen Environment mit so ’ner Leuchttätowierung rumrennen, die gradezu schreit: ›He, ich bin ein Hexenmeister, verbrennt mich auf dem Scheiterhaufen‹? Nicht? Hab ich’s mir doch gedacht.«
    Er ließ es widerwillig zu, daß sie ihm das Gesicht beschmierte und die Goggleboymuster unkenntlich machte. »Und mein Helm?« wollte er wissen. »Null Chance, daß ich den hierlaß.«
    Florimel lugte um den nächsten Kistenstapel. »Dreh ihn um, dann sieht es aus, als würdest du Geld für einen wohltätigen Zweck sammeln. Vielleicht wirft dir jemand was rein.«
    »Lach tot«, knurrte er.
    Martine, die genau wie Florimel bäurische Sachen trug, hatte keine Anstalten gemacht, ihre Garderobe zu verschönern; als Renie einen Rock über ihren Jumpsuit zog, glitt die blinde Frau von der Kiste, auf der sie saß. »Wenn ihr alle fertig seid, sollten wir aufbrechen. Der Tag ist halb vorbei, und die meisten Menschen sind mißtrauisch, wenn Fremde bei Nacht eintreffen.«
    »Woher weißt du überhaupt, was für eine Tageszeit ist?« fragte Renie.
    »Es gibt hier Rhythmen«, antwortete Martine. »Und ich lerne sie langsam kennen. Laßt uns jetzt gehen.«
     
    Zekiels Wegbeschreibung war sehr allgemein gewesen – einen halben Tag lang mehr oder weniger in eine Richtung gehen und zehn Stockwerke nach unten –, aber noch bevor sie die Ebene erreichten, wo der Fluß das Haus durchzog, nahmen sie die ersten Anzeichen wahr, daß hier Menschen wohnten. Flache Steine waren in einigen der breiteren Korridore in die Mitte gelegt und als Feuerstellen benutzt worden, wenn auch außer den Brandspuren nichts mehr davon zu sehen war; aus einigen der schnörkelig vergitterten Luftschächte hörten sie murmelnde Geräusche, die vielleicht bloß der Wind waren, aber die genausogut leise Stimmen sein mochten.
    Renie bemerkte auch einen stärker werdenden Geruch, der ihr nur auffiel, weil er in ihrem Leben schon länger nicht mehr vorgekommen war: eine Art

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